Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

290 241. König Friedrich der Große von Preußen. 
Mißwachs entstandene Noth noch vermehrt worden. Dem 
Fürsten hatte man den wahren Nothstand verheimlicht. Als er 
eines Morgens aus der Herzogsspitalkirche kam, umringten ihn 
viele bleiche, abgezehrte Menschen mit dem Rufe: „Brot, 
gnädigster Herr, Brot; wir müssen verhungern!“ Mit Entsetzen 
vernahm der Fürst die Schilderung der allgemeinen Noth. Er 
gab den Weinenden und Flehenden alles Geld, welches er bei sich 
4#rug. und sprach: „Kinder, ihr sollt Brot bekommen und nicht 
Hungers sterben!“ Und er hielt Wort. Sogleich ließ er alles 
n#ch in den Speichern vorhandene Korn unter die Armen aus- 
Ftheilen, das Wild in den fürstlichen Gehegen schießen und das 
Fleisch um billigen Preis verkaufen und mit einem Aufwande 
von 2 Millionen Gulden Getreide aus Italien kommen. 
Kurfürst Max starb am 30. Dezember 1777. Sein dank- 
bares Volk nannte ihn mit Recht den Guten und den Viel- 
geliebten. 
   
   
  
211. König Friedrich der Grofse von Preufsen 
(1740—1786) 
Friedrich der Grofse war der Sohn des Königs 
Friedrich Wilhelm I. von Preufsen. Dieser war ein 
Ssparsamer, strenger Mann. Er liebte nur das Militär, hasste 
dagegen alle gelehrte Bildung. Sein Sohn aber war ein 
Freund der Wissenschaften, las Bücher und pflegte Musik 
und Malerei. Daher herrschte Unfriede zwischen Vater und 
Sohn, so dass dieser sich zur Flucht nach England entschloss. 
Zwei Freunde, Katt und Keith, waren ihm dazu behilflich. 
Er wurde aber auf der Reise ergriffen und von dem zür- 
nenden Vater vor ein Kriegsgericht gestellt. Nur mit Mühe. 
konnte die Todesstrafe von ihm abgewendet werden. Katt 
dagegen wurde vor den Augen des Prinzen enthauptet. 
Später söhnten sich jedoch Vater und Sohn mit einander aus. 
Friedrich folgte, 28 Jahre alt, seinem Vater auf dem 
Throne. Gleich nach seinem Regierungsantritte führte er 
einen siegreichen Krieg mit Oesterreich. Dadurch gewann 
er die Provinz Schlesien (1741). Allein Preufsens Macht 
erregte bald die Eifersucht der anderen Staaten. Es bildete 
sich daher eine Prolse Verbindung gegen dasselbe. Friedrich 
kämpfte nun 7 Jahre kühn gegen halb Europa und blieb end- 
lich Sieger (1763). " 
Nachdem Friedrich Preulsen vor dem Untergange gerettet 
hatte, suchte er durch weise Verwaltung das Elend des Krieges 
zu mildern. Er liels Getreide unter die Unterthanen austheilen 
und übergab den Bauern Ackerpferde. Die eingedscherten 
Häuser wurden auf seine Kosten aufgebaut, und die verwüsteten
	        
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