Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

258. Napoleon übergibt seinen Degen. 307 
Ausfälle scheiterten an der Wachsamkeit und Tapferkeit der 
deutschen Truppen. 
Als endlich im Januar 1871 die Beschießung der Haupt- 
stadt begann und jede Hoffnung auf Entsatz geschwunden 
war, sah sich die republikanische Regierung zum Nachgeben 
gezwungen. In Versailles, wo sich das deutsche Haupt- 
quartier befand, kam es Ende Januar zum Waffenstillstande. 
Am 1. März 1871 zogen die siegreichen deutschen Heere in 
Paris ein, und am 2. März wurde zu Versailles der 
*r iedensschluß unterzeichnet. Frankreich mußte Elsaß und 
Deutsch-Lothringen mit Metz an Deutschland abtreten 
und 5 Milliarden (5000000000) Francs Kriegskosten zahlen. 
Der Versailler Friedensschluß rief in allen deutschen 
Staaten großen Jubel hervor, und mit hoher Freude blickte 
Deutschland auf seine tapferen Heere. 
258. Napoleon übergibt seinen Degen. 
Am 1. Sept. gegen 7 Uhr Abends erblickten die preußischen 
Truppen nach der Schlacht bei Sedan einen kleinen, traurigen Zug. 
Er erschien, aus der Stadt kommend, * dem Wege, der gegen 
die Höhen von doncherd hinzieht. Hier standen König Wilhelm 
und der Kronprinz, Moltke, Roon, Bismarck und im Halbkreise 
um diese die Stabsofftziere. Der kleine Zug bestand aus dem 
Major v. Winterfeld, dem französischen General Reille (spr. Rellj) 
und einem Trompeter der Panzenreiter, welcher die Parlamentär- 
lagge trug. Als die Reiter dem Könige sichtbar wurden, trat 
ieser einige Schritte vor. Die Stabswache zog sich hinter den 
Halbkreis zurück. In einiger Entfernung stiegen die Reiter ab. 
Reille, ein stattlicher Mann, dessen Brust viele Ehrenzeichen 
schmückten, ging, von dem Trompeter gefolgt und von dem Mapor 
geleitet, auf König Wilhelm zu. Nach einigen Schritten winkte 
er dem Trompeter und warf ihm den Zügel des Pferdes zu, 
welches er bisher geführt hatte. Er näherte sich dem Könige, 
der, den Schmerz des ihm bekannten Generals würdigend, diesen 
achtungsvoll zuerst gegrüßt hatte. Reille nahm sein Käppi ab 
und zog ein Schreiben aus der Brieftasche; dann sagte er mit 
bebender Stimme: „Sire, das ist der einzige Auftrag, den mir 
mein Kaiser übergab.“ Dann trat er, de- Blicke zu Boden 
schlagend, einige Schritte zurück. 
Der König, der sich bisher auf seinen Säbel gestützt hatte, 
nahm den Brief und sagte mit wohlwollender, aber fester 
Stimme: „General, meine erste Bedingung ist, daß die Armee 
die Waffen streckt.“ Dann öffnete er schnell das Couvert und 
richtete an Reille einige tröstende Worte, nach denen er in den 
 
	        
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