Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

70 63. Das Ei des Vogels. — 64. Die Raubvögel. 
Die Dögel erweisen ihren Jungen große Sorgfalt und Zärt— 
lichkeit. Sie suchen nicht nur Futter für dieselben, sondern setzen 
sich auch den größten Gefahren aus, um sie zu vertheidigen 
oder die Feinde derselben auf eine falsche Spur zu leiten. 
63. Das Ei des Vogels. 
Auch das kleinste Ei ist merkwürdig. Es besteht aus 
Flüssigkeiten von weilslicher und gelber Farbe und aus einer 
Schale, welche diese umgibt. Aulser einer barten, kalkartigen 
Schale, die den Inhalt vor allen Verletzungen behüten mus,s, 
sind noch drei feine Häute vorhanden, welche verhindern, 
dass die feste Schale auf das Innere drückt. 8o hüllt eine 
liebende Mutter ihr zartes Kindlein in mehrere Tücher ein 
und legt die feinsten gerne zunächst um des Kleinen Glieder. 
Aber auch das Innere des Eies ist merkwürdig. Man ent- 
deckt in demselben auflser dem Eiweils und dem Dotter zur 
Seite des letzteren eine kleine, linsenförmige Narbe. Man 
nennt sie den Keim. Diese Narbe ist der Anfang zum künf- 
tigen Vogel, zum Zaunkönig wie zum Schwan. Selbst die 
flüssigen Theile sind nur eine Hülle; sie dienen dem werdenden 
Vögelchen zur ersten Nahrung, so lange es nicht die Aufsere 
Schale sprengt und von den Eltern gefüttert wird, oder sich 
selbst seine Speise suchen kann. Sie sind dem jungen Vogel 
gleichsam die erste Muttermilch, durch welche er erhalten 
wird, bis er fähig ist, stürkere Kost zu genielsen. 
Wenn die Brütewärme des Vogelweibchens das Ei durch- 
dringt, regt sich der wohlverwahrte Keim und entwickelt 
sich zu einem Vöglein, das endlich die umgebende Schale 
zersprengt und hervordringt. Die Kraft, mit welcher das 
schwache Thierchen hervorbricht, ist bewundernswerth. Wie 
kann doch überhaupt im Ei, das eines Kindes Finger zu 
zerdrücken vermag, solches Leben wohnen! Ja, hier ist 
Gottes Walten. 
64. Die Raubvögel. 
Es gibt Raubvögel, welche bei Tage, und andere, die nur 
in der Dämmerung oder des Nachts nach Beute ausfliegen. Zu 
den Tagraubvögeln gehören die auf den Alpen leben- 
den gewaltigen Lämmergeier, sowie die einander sehr ähnlichen 
Falkenarten. Die großen Falken werden Adler genannt. Sie 
geben zum Theil hinsichtlich ihres Körperumfanges dem Lämmer- 
geier, dessen Länge 1m beträgt und der Zm klaftert, wenig 
nach. Auch sie leben nur auf hohen Gebirgen. 
Im flacheren Lande dagegen kennt man ihren kleineren Ver- 
wandten, den aschgrau gefärbten Hühnerhabicht, auch Tauben- 
stößer oder Sperber genannt, sehr gut. Derselbe ist beträchtlich
	        
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