5 74 (Vorbem. Nr. 3—4). 6. Abschn. Handlungsgeh. u. Handlungslehrl. 255
für die er sich eigne. Sie richte sich in der Praxis vielfach nicht gegen den Gehilfeu,
ondern gegen den Konkurrenzprinzipal dem dadurch die Möglichkeit genommen
werden soll, gut ausgebildete Hilfskräfte zu gewinnen. Sie übe auch einen Druck
auf die Gehaltsverhältnisse, insofern der durch sie belastete Gehilfe es nicht wagen
könne, eine Gehaltserhöhung durchzusetzen, da er dann vor der Ge ahr der Auf-
hebung des Dienstvertrages und des Inkrafttretens der Wettbewerbklausel stehe.
Das in §5 74 ausgesprochene allgemeine Prinzip reiche zum Schutze des Gehilfen
nicht aus, denn seine Anwendung auf den ebenen Fall setze einen Rechtsstreit
voraus, dessen Ausgang von der subjektiven Au assung des Richters abhängig sei.
Dor solchem Rechtchtreft habe der Gehilfe begreiflicherweise in den meisten Fällen
esorgnis. — »
Die Handlungsgehilfen erstrebten deshalb eine Anderung der §§ 74, 75, 76
Dbse. 1 H.G. B. Nachdem der Reichstag wiederholt Petitionen aus ihren Kreisen dem
Reichskanzler als Material Überwiesen hatte, trat die Reichsregierung der Frage der
Neuregelung näher. Am 29. November 1912 wurde ein vom Bundesrat beschlossener
„Entwurf eines Gesetzes zur Anderung der §5§P 74, 75 und des § 76 Abfs. 1
des H.G.B.“ nebst Begründung dem Reichstag vorgelegt. Dieser Entwurf (I) setzte
an Stelle der 74, 75 zehn Paragraphen (38 74—74c, 75—75e). Er beschriti nicht
den von den Verbänden der Handlungsgehi e (und einem starken Teil der Reichs-
tagsabgeordneten) vorgeschlagenen Weg, die Wettbewerbklausel gänzlich zu verbieten.
Er befolgte auch nicht das Vorbild des österreichischen Gehilfengesetzes, welches
Wettbewerbklauseln nur bei Vorhandensein eines bestimmten Mindesteinkommens
des Gehilfen (4000 Kronen) für zulässig erklärte. Vielmehr erkannte der Entwurf
grundätlich die Zulässigkeit der Klausel ohne Rücksicht auf die Größe des Gehalts
es Gehilfen an, suchte aber durch Einführung der sog. bezahlten Karenz einer-
Lits den Gehilfen zu entschädigen, andererseits die Zahl der Klauseln zu vermindern.
ie kleinen Unternehmer suchte er dadurch zu schützen, daß er von der bezahlten
Karenz bei einer zeitlich auf ein Jahr und räumlich auf den Umkreis von zwei
Kilometern beschränkten Vereinbarung absah, auch kannte er zwei weitere Ausnahmen
vom Grundsatz der bezahlten Karenz. Mit der Beschränkung des §5 75 Abs. 2, wo-
nach beim Strafgedinge der Prinzipal nur Anspruch auf die verwirkte Strafe haben
ollte, brach der Entwurf für den Fall der bezahlten Karenz, er behielt diese Be-
chränkung vielmehr nur für die Fälle bei, in denen eine Entschädigungspflicht des
inzipals nicht bestand, im übrigen kehrte er zu § 340 des B.G.B. zurück. Die
Formel des 5 74 H.G. G. behielt er bei, ergänzte sie aber dadurch, daß die Frage,
ob eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gchilfen vorliege, „unter
Berücksichtigung der gewährten Entschädigung und im Verhältnis zu dem
berechtigten besfe en Interesse des Prinzipals“ beantwortet werden
sollte, eine Formel, die aus § 36 des österreichischen Handlungsgehilsengesetes ent-
nommen war. Auch den dreijährigen Maximalzeitraum des § 74 H.G.B. behielt
der Entw. bei im Gegensatz zu der einjährigen Höchstdauer des österr. Gesetzes. —
Der Bundesratsentwurf unterlag im Reichstag und außerhalb des Reichs-
tages 1) starker Kritik. Viele Stimmen erhoben sich für gänzliches Verbot der Wett-
bewerbklausel. Aber auch diejenigen, welche sich grundsätzlich auf den Standpunkt
des Entwurfs stellten, vermochten in seinen Sätzen eine genügende Regelung nicht
u erblicken. Der Grundsatz der bezahlten Karenz wurde zwar gebilligt, die Art
seiner Durchführung im Entwurf aber für unzureichend erklärt, die vom Entwurf
statuierten Ausnahmen von der Entschädigungspflicht wurden für nicht gerechtfertigt
erachtet, der Zeitraum von 3 Jahren als Höchstdauer der Wettbewerbklausel erschien
als zu lange, ein gährliches Verbot der Wettbewerbklausel wurde wenigstens für
geringer bezahlt- Gehilfen vorgeschlagen, das Abgehen von der Beschränkung des
§ 75 Abs. 2 H.G.B. auf die Vertragsstrafe erschien vielen als sozialpolitische Härte.
Vor allem aber wurde betont, daß die Neuregelung schärfer, als es der Entwurf
tue, die Beschränkung der Klausel auf solche Fälle, in denen ein erhebliches geschäft-
liches Interesse des Prinzipals an der Klausel bestehe, zum Ausdruck zu bringen
habe. In dieser Hinsicht wurde zumal auf die §s 356 ff. des schweizerischen Obli-
gationenrechts vom 30. März 1911 hingewiesen. —
1) Vgl. u. a. Düringer in D. J. Ztg. 1913, S. 127ff.; Marcus in Hold-
heim 1913, S. 10 f. Zusammenstellung bei Thulesius a. a. O.
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