90 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. Fs 11.
Die rechtliche Zulässigkeit der Einziehung, Vernichtung oder Unbrauch-
barmachung einzelner Vermögensgegenstände, mag es sich bei solchen Maß-
regeln um eine Strafe oder um eine polizeiliche Sicherungsmaßregel handeln, ist durch
dieses Verbot ebensowenig getroffen und durch den allgemeinen verfassungsmäßigen
Grundsatz der Sicherheit des Eigenthums und der Rechte ebensowenig ausgeschlossen,
als die Beschlagnahme von einzelnen Vermögensgegenständen oder wohl auch ganzen
Vermögenscomplexen, eine Maßregel von möglicher Weise sehr verschiedener
prozessualer oder polizeilicher Bedeutung und Wirkung, die insbesondere zur Vorbe-
reitung der Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung einzelner Sachen dienen
kann, außerdem aber auch als Zwangsmittel, um die Stellung des Angeklagten vor
Gericht herbeizuführen oder zur Sicherung von Beweismitteln und der Zwangsvoll=
streckung, zur Deckung von Geldstrafen und Kosten, zur Verhinderung der Fortsetzung
von strafbaren Handlungen, wohl auch zur Sicherung von Abgaben. Alle diese Maß-
regeln: Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung einerseits, Beschlagnahme anderer-
seits erscheinen, je nach Verschiedenheit der Voraussetzungen nicht nur als rechtlich
zulässig, sondern unter Umständen auch als rechtlich geboten, die Voraussetzungen
aber, unter denen sie eintreten können oder müssen, sind wiederum theils reichs-
rechtlich theils landesrechtlich bestimmt.
Neben den äinschlagenden allgemeinen (6§ 40—42) 0 und besonderen (§§ 152, 295, 296 a:
Abs. 2, 360 Abf. Abs. 2, 369 Abs. 2) Bestimmungen des Reichsstrafgesetzbuches ist hin-
sichtlich der Neollasfehhnger der Einziehung, Vernichtung und Unbrauchbarmachn ng
zunächst auf die reichsrechtlichen Lestimmngen über diese Mahregeln als Strafen wegen Ver-
letzung des Urheberrechtes (Ges. vom 11. Juni 1870 § 21 Abs. 1, 25 Abs. 2, 43, 45,
9. Jan. 1876 § 16, 10. Jan. 1876 § 9 a, 11. Jan. 1876 §F. 14 hinzuweisen), denen die Bestim-
mungen in § 15 des Ges. vom 14. Mai 1879 betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genuß-
mitteln und Gebrauchsgegenständen über die Einziehung der den Vorschriften dieses Lesee
zuwider hergestellten oder in den Verlehr gebrachten Gegenstände und die Vorschriften über
Consiscation wegen fiskalischer Delikte angureihen sind, wie letztere im Reichsges. vom
3. Juli 1878 beir. den Spiällmhkenstendoel §5 10, Abs. 1, sodann im Zollges. vom 1. Juli 1869
8§98 134 ff. 154 ff., (Confiskation wegen gtrepanht und Zolldefraudation), ferner im Salz
steuerges. vom 16. Nov. 1867 § 11 und im Zuckersleuerges. vom 26. Juni 1869 § 4 Abs. 25)
enthallen sind.
Das für das Landesrecht hinsichtlich der Zulässigkeit der Einziehung einzelner
Fochen maßgebende Prinzip spricht aber das Polizeistrafgesetbuch vom 26. Dez. 1871 (Art. 17
dahin aus, daß diese Maßregel nur in den von dem Gesetze bestimmten
Alichn statthaft und ihr Eintreten von ausdrücklich auf dasselbe gerichtetem
Minister stattfinden sollen, ohne daß jedoch die Unzulänglichkeit der für die einschlagigen Dienstzweige
bestimmten Gelder zur Rechtfertigung einer Verzögerung dienen darf. (Art. 2, 9 Abs. 1, welche
hon wörtlich die entsprechenden Bestimmungen in Art 176, 882 der mit dem utrakhirrien der
R.-C.-P.-O. aufgehobenen bayerischen Prozeßordnung in bürgerl. Rechtsstreitigkeiten vom 20. April
isv5½ wiederhoten.
„Die Vermögens-Confiscation hat in leinem Falle, den der Desertion ausgenommen, statt.“
(mesesanushte die Const. von 1803 Tit. V. § 6). Die hinsichtlich der Desertion gemachte
Ausnahme ist in dem Heerergänzungsges. vom la Aug. 1828 § 83 näher geregelt, dabei aber in
ihrer Bedeulung sehr vermindert worden, und hat seitdem ihre Geltung ganz verloren. Sie wurde als
mit den das Wehrgesetz vom 30. Jan. 1868 (oben S. 27) beherrschenden Prinzipien unvereinbar ange-
sehen und es wurde demgemäß in Art. 90 desselben verfügt, daß das mil Beschlag belegte Vermögen eines
Deserteurs nach Deckung der Strafen, Kosten und Schadenersatzansprüche an die Verechtigten, bHrrans.
zugeben sei. Auch kennt weder das Militärstrafgesetzbuch vom 29. April 1869 (oben S. 27) noch
das Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich die Vermögensconfiskation als Folge der Desertion
(Fahnensucht )
Vgl. hiezu das Sozialistenges. vom 21. Okt. 1878 § 1.11 und Art. 12 Abs. 3 des Ausf.-Ges.
zur l* - *O., wo die Zulässigkeit der Einziehung gesetzwidrig verbreiteter (ohne polizeiliche
Erlaubniß öffentlich angechlagener u. s. w.) aber noch nicht in fremdes Eigenthum übergegangener
Schriften ausgesprochen ist.
Vgl. hiezu zud das Reichsges. vom 30. Nov 1874 über Morlenschuh § 1I7 Abs. 1.
) Vgl. über die drei miett genannten Gesetze Laband, Staatsr. d. D. R. III. 2 S. 270,
272 ff. und in diesem Handb. II. I. S. 196 ff.