92 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. § 11.
innerhalb dieser Grenzen ableiten dürfen 1), während für alle Fälle, in welchen die Einziehung
einzelner Sachen gesetzlich zulässig ist, dieses Recht vorläufiger Beschlagnahme ausdrücklich aner-
kannt, (Art. 20 Abs. 2) und für alle diese Fälle vorläufiger Einschreitung dem Freigesprochenen
der allenfallsige Anspruch auf Schadensersaß, falls die vorläufig getroffene Maßregel nicht
gerechtfertigt war, vorbehalten ist. (Art. 20 Abs. 5.)2)
Ebenso wie Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beschlagnahme
unter gewissen rechtlichen Voraussetzungen eintreten können, und insoferne das Prinzip
der Sicherheit des Vermögens und der Rechte in bestimmten Beziehungen modificirt
erscheint, müssen die sämmtlichen in § 9 behandelten Einwirkungen der Staatsgewalt
auf das Vermögen der Unterthanen, also insbesondere die Steuer= und die Gebühren-
sorderungen, die Expropriationen, die Militärlasten als Modifikationen dieses Prinzips
betrachtet werden.
Daß auch Ausländer auf Sicherheit ihrer Person und ihrer Rechte dem Staate
gegenüber im Allgemeinen in gleicher Weise wie Inländer (Bayern und nichtbayerische
Reichsangehörige) Anspruch haben, ist nach dem heutigen Stand der Gesetzgebung und
der gesammten Rechtsentwickelung keinem Zweisel unterworfen 3). Gleichwohl ist im
Interesse der Strafrechtspflege eine gewisse Benachtheiligung des Ausländers,
soferne es sich um Verhaftung oder um Vermögensbeschlagnahme zur
Sicherung der Stellung vor Gericht handelt, theils durch das Reichsrecht, theils durch
das Landesrecht eingeführt worden.
Wie nach R.-St.-P.-O. § 112 für die Anordnung der 1ntersuchungohaft der Umstand
maßgebend in daß der Angeschuldigte ein Ausländer ist, falls zugleich dringende Verdachts-
gründe gegen ihn vorhanden sind und gegründeter Zweifel besteht, daß er sich auf Ladung vor
Gericht stellen und dem Urtheile Folge leisten werde, und wie nach R.-St.-P.-O. §8 332 das im
Deutschen Reiche befindliche Vermögen des Angeklagten durch Gerichtsbeschluß mit Beschlag belegt
werden kann, wenn nach gegen ihn erhobener öffentlicher Klage Verdachtsgründe gegen ihn
vorliegen, welche die Erlassun eines Haflbesehls rechtfertigen würden, so ist nach dem Forstgesetz
(neue 3e# Art. 126, 128) und dem revid. Forststrasges. f. d. Pfalz (Art. 51 der Fassung
vom 2. Okt. 1879) der iinl s e Reiche nicht begüterte Ausländer, falls
er vom Sllialenano der Forstpolizei auf frischer That bei Jstpokigeiüberiretung oder Forst-
frevel betreten wird, gleich jedem unbekannten Thäter der zwangsweisen Vorführung") vor den
hächsen Gemeindevorstand (oder auch Amtsrichter nach dem Pfälzer Recht) und der vorsorg lichen
Haf den Amtsrichter bis zur Sicherheilsbestellung für Strafe, Ersatzleistung und Kosten
ausgesetzt
Freizügigkeit, Verehelichungsfreiheit und Gewerbefreiheit. Wie die hier
#ununmn Freiheitsrechte unter sich in engster Beziehung stehen?), so ist auch ihre
Anerkennung und ihre Regelung in der neueren Gesetzgebung in zusammenhängender
Entwickelung erfolgt. Während für die Ordnung der meisten hier in Betracht
kommenden Angelegenheiten in Bayern erst die Gesetzgebung vom 11. September 1825
(oben S. 22) und dann die in den ersten Monaten des Jahres 1868 erlassenen sog.
Sozialgesetze (oben S. 27) von durchgreifender Bedentung geworden sind, ist ziemlich
1) Vgl. hiezu die Ausführungen der in den Blättern f. adm. Praxis Bd. 27 S. 206 ff. abge-
druckten Regierungsentschließung vom 27. Juni 1875, auch Reger, Polizeistrafgesetzgebung S. 117.
2) Unter dem gleichen Vorbehalt ist der Polizeibehörde die Befugniß ertheilt, in den Fällen,
in welchen nach gesetzlicher Bestimmung die Schließung einer Anstalt im Strafurtheil aus-
zusprechen ist oder für zulässig erklärt werden kann, diese Schließung als vorläufige
Mahrehel zu verfügen; sie darf dieselbe jedoch nur dann über acht Tage Hürtien. wenn der Richter
die Fortdauer als zulässig erklärt hat (Pol.-Strafgesetzb. Art. 20 Abs. 3,
3) Insbesondere kann man sich für diese Gleichstellung auch auf e allgemeine WFassung
der unn - Zusammenhange im Texte behandelten Bestimmungen in Tit. IV. § 8 Abs. 1
" erufen.
4) Nach dem diesrhein. Gesetz (Art. 126 Abs. 1) kann, nach dem pfälzischen (Art. 51) soll
die Vorführung erfolgen.
) In den Lehrbüchern des deutschen Staatsrechtes von G. Meyer S. 570 ff. und
H. Schulze I. S. 373 ff. werden sie unter der Bezeichnung „Freiheit der persönlichen und
Wiröschastlichen Bewegung“ zusammengefaßt.