96 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. § 11.
noch in untergeordnetem Maße als praktisch anzusehen, theils in Folge von sog. Frei-
zügigkeitsverträgen, die mit einer großen Anzahl nicht zum ehemaligen Bunde
gehöriger Staaten geschlossen worden sind, theils mit Rücksicht auf die in dieser
Hinsicht anderen Staaten gegenüber grundsätzlich geübte Gegenseitigkeit .
In gleicher Weise wie die Auswanderung in dem eben besprochenen Sinne war nach
bayerischem Recht im Anfange dieses Jaorhundert, das Reisen in das Ausland und der
Aufenthalt im Auslande mit Beibehaltung der bayerischen Staatsangehörig-
keit den erheblichsten Beschränkungen unterworfen. Eine kurfürstliche V.-O. vom 9. April 1804
folgert aus dem Grundsatze der allgemeinen Landespolizei, daß kein Unterthan ohne Vorwissen
und ohne die ausdrückliche Erlaubniß des Landesherrn sich außer Landes begeben
könne, für Jeden, der eine Reise in das Ausland unternimmt, die allgemeine Paßpflicht
und die Pflicht der An= und Abmeldung bei den diplomatischen Vertretern Bayerns
im Auslande. Die Constitution von 1808 Tit. 1. 8 8 bedroht wie die Auswanderung ohne
ausdrückliche Erlaubniß des Monarchen so auch das Reisen in das Ausland und den Uebergang
in fremde Dienste ohne solche Erlaubniß gui dem Verluste aller bürgerlichen Rechte.
Die V.-O. vom 16. März 1809 (N.-B. 1697 ff.) verlangt dem entsprechend denn auch, daß
jeder in das Ausland reisende Unlerkhan % Königs mit einem vom Generalkreislommissariate
auszustellenden oder doch zu visirenden Paß versehen sein soll bei Vermeidung der Anhaltung
und Zurückweisung an der Grenze (II. 4), sie verbietet aber den zur Ausstellung der Pässe
zuständigen Behörden, den in ihrem Bezirkle wohnhaften Personen, die ihnen bekannt und deren
Reiseabsicht ihnen gleichfalls bekannt und nicht, namentlich wegen Versuches unerlaubter Aus-
wanderung oder der Entziehung von der Militär-Conskription, verdächtig ist, den Paß zu ver-
weigern. Das Indigenatsedikt vom 6. Jannar 1812 knüpft an die Annahme fremder Civil-=
und Mililärdienste ohne ausdrückliche Bewilligung des Königs, wie an „jede Niederlassung im
Auslande, woraus die Absicht, nich! zurückzulehren erhellet", und an alle Reisen mit einem Auf-
enthalt im Auslande von mehr als einem Jahre den Verlust des Indigenates. (Art. VII. Ziff. 2,
5, 6 VIII.) Es legt anderfeils auch den mit ausdrücklicher Erlaubniß des Königs in
fremde Dienste getretenen Staatsangehörigen bestimmte Verpflichtungen auf (Art.XXVIII.
im Wesentlichen wiederholt in der I. Beil. der V.-U. von 1818 (oben S. 48) und enthält ferner
in Art. XXXV. die schon oben (S. 93 Anm. 2) erwähnte, in § 12 der I. Beil., der V.-U. von 1818
wiederholte Bestimmung über die den Königlichen Unterthauen eingeräumte rechtliche Möglichkeit,
Besitzungen in einem anderen Staate zu haben und zu erwerben und an Handelsetablissements und
Fabriken Theilen nehmen ohne bleibende persönliche Ansässigkeit u. unbeschadet ihrer Unterthanenpflicht.
e V.« U. von 1818 enthält keinerlei allgemeine Verbote oder Strafbestimmungen in
Bezug anf Reisen oder Aufenthalt im Ausland ohne besondere Königliche Erlaubniß, sie knüpft
an die ohne solche Erlaubniß geschehene Annahme von fremden Diensten den Verlust des Staats-
bürgerrechis (Beil. 1. § 10 Ziff. 2 oben S. 46), nicht mehr den des Indigenates.
Zeigt sich so eine immer sleigende Milderung der Bestimmungen über Reisen in das Aus-
land und K#ch#ent in demselben, so lag doch in der steks fortdauernden Paßpflicht die
Nothwendigkeit der Einholung staatlicher Genehmigung zur Entfernung aus dem
Staatsgebiete?). Bestimmter noch als in der V.O. vom 16. März 1809 tritt dies in der zu
deren e erlassenen, im Wesentlichen auf den gleichen Grundsätzen wie diese beruhenden
V.-O. das Paßwesen betr., vom 17. Jannar 1837 (R.-B. S. 65 ff.) hervor, indem hier bestimmt
ist, daß Pässe nur an Personen zu ertheilen sind, deren Unbescholtenheit und Unverdächtig-
leit amtskundig oder durch vollgültige Zeugnisse außer Zweifel gesetzt sind, und deren Reise
kein geseßliches oder polizeiliches Hinderniß, namentlich kein Mangel an Reifemit-
teln entgegensteht. Durch die Einführung der Paßkarten mittelst der im Anschluß an die
aßkartenkonvention vom 21. Oltober 1850 erlassenen V.-O. vom 14. Januar 1851 (R.-B.
S. 25 ff.) ist hierin keine prinzipielle Aenderung eingetreten.
Mit der auf Grund der Uebereinkunft vom 7. Febr. 1865 zwischen Bayern,
Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden und Oldenburg (Paßverein R.-B. S. 1393 ff.)
ergangenen V.-O. vom 9. Dez. 1865 das Paßwesen betr. (R.-B. S. 1409 ff.) ist in
Bayern das Prinzip des Paßzwanges verlassen worden, indem in § 1 allge-
mein ausgesprochen ist, daß bayerische Staatsangehörige zum Austritte über die Grenze,
1) Vgl. über die Nachstener, deren regelmäßiger Betrag nach der V.-O. vom 6. Juli
1804 10 Prozent von dem auszuführenden Vermögen ist, die Zusammenstellungen bei Weber,
Neue Gesetz= und Verorpnungssammlung . S. 92 ff. und Krais, Handb. der inneren Ver-
waltung- - Aufl. Bd. I. S. 131 und dazu die Ausführungen von Sn. in den Bl. f. adm.
Pr. 6, ff.
* auch G. Meyer, Lehrb. d. d. Verwaltungsrechts I. S. 154 ff. über die im Laufe
der Enmickeiung- verschiedene aahlich Bedeutung der Reisepässe.