Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

8 11. Die Rechte der Unterthanen. 99 
Die Gesetzgebung des Jahres 1868 hat unter Beseitigung des eigenthüm- 
lichen Rechtsinstitutes der Ansässigmachung in dem eben näher ausgeführten Sinne 
und bei gleichzeitiger Einführung der Gewerbe freiheit die Freizügigkeit in 
erheblichem Maße gefördert ). Das auch in der Pfalz giltige Gesetz vom 16. April 1868 
über Heimath, Verehelichung und Aufenthalt erklärt in wesentlicher Uebereinstimmung mit 
dem Heimathgesetze von 1825: „Jeder Angehörige des bayerischen Staates ist berechtigt, 
sich außerhal b seiner Heimath (das Heimathrecht gewährt nach Art. 13 außer dem 
eventuellen Anspruch auf Unterstützung das Recht, im Gemeindebezirke sich aufzuhalten) in 
jeder Gemeinde des Königreichs sich aufzuhalten, soferne nicht gesebliche Hindernisse 
entgegenstehen“ (Art. 43 Abs. 1). Es hat aber im Gegensatze zu dem Gesetze von 
1825 die Gründe, aus welchen die zuständige Polizeibehörde den Aufenthalt in einer 
fremden Gemeinde verbieten kann, genau bestimmt und einzeln aufgeführt (Art. 45). 
Es war daher mit dem Eintritte Bayerns in das Reich und mit der Einführung des 
norddeutschen Bundesgesetzes über die Freizügigkeit vom 1. Nov. 1867 als Reichsgesetz 
in Bayern (Reichsgesetz vom 22. April 1871 § 2I.) nur die grundsätzliche 
Aenderung des Rechtszustandes verbunden, daß die Freizügigkeit nunmehr 
für alle Reichsangehörigen innerhalb des ganzen Bundesgebietes gilt ). Auch 
wurden keineswegs alle hier in Betracht kommenden Bestimmungen des bayerischen Ge- 
setzes über den Aufenthalt durch das Freizügigkeitsgesetz beseitigt. 
Die Aenderungen, welche mit Rücksicht auf das Reichsrecht an dem Gesetze vom 
16. April 1868 zu treffen waren, namentlich um die aus strafrechtlichen Gründen in dem- 
selben anerkannten Aufenthalts-Beschränkungen mit dem Reichsstrafrecht in Einklang 
zu bringen, enthölt das Gesetz vom 23. Februar 1872 (oben S. 323. 
Wie nunmehr die Anerkennung des Rechts der Reichsangehörigen 
auf Freizügigkeit im Reichsgebiete reichsrechtlich gegeben ist (durch das Frei- 
zügigkeitsgesetz §S§ 1 und 2), so gründen sich jetzt auch die Reichsangehörigen gegenüber 
möglicher Weise eintretenden Aufenthaltsbeschränkungen, mögen sie, wie zumeist, 
als Verbote oder als Anweisungen des Aufenthaltes in bestimmten Orten oder 
Bezirken erscheinen, der Hauptsache nach ouf Reichsrecht. 
So ist das Freizügigkeitsgesetz (88 6) maßgebend für die Befugniß der Ge- 
meinden zur Abweisung von neu u oder zur Versagung des 
fernern Aufenthaltes gegenüber bereits Zugezogenen, welche das Heimaths- 
recht (den Unterstützungswohnsitz) an ihrem Aufenthaltsorte noch nicht erworben haben, 
mit Rücksicht auf deren Unterstützungsbedürftigkeit?. 
Zuständig zur Ausweisung, die auf begründeten Antrag der Gemeinde erlolgen muß, 
ist in Bayern die Distriktspolizeibehörde, in unmittelbaren Städten der Magi- 
strat, in München die Poligeidirektion auf Antrag des Magi strats (B.J. zum Freizügigkeils- 
gesetz vom 4. Mai 1871 in den Kreisamtsblättern des Jahres, auch bei v. RNiedel, die Reichs- 
verf.-Urkunde S. 212 ff. und in Bayerns Gesetze und Gesetzbücher Xl. S. 275 ff.). 
1) Vgl. über die Entwickelung seit 1868 v. Riedel und v. Müller S. 4 
2) Ueber die Einwirkung dieses Gesetzes auf den Rechtszustand i in Bayern vgl. ¾ Miedel- 3 
Commentar m Freizügigkeitages. in adie Reichsverfassungsurkunde S. 221 ff. und Luthardt in 
Bl. f. admin. Pr. Bd. 21 S. 130 ff. 
3) Die Commentare en Szihe vom 16. April 1868 von v. Riedel, in 5. Aufl. bearb. von 
L. A. v. Müller, Nördl. 1881 und A. Reger, Ansb. 1884. berücksichtigen selbstverständlich auch 
die Novelle von 13722. 
4) Daß in Fällen dieser Art 9egenüber einem zum Deutschen Neiche gehörigen Staale die 
Anwendung des Gothaer Vertrages vom 15. Juli 1851 und der an ihn sich anschließenden 
anderweiten Verabredungen für Bayern 504) in Frage kommen kann, ergibt sich aus § 7 des 
Freizügigkeitsgesetzes, der für Bayern im Verhältnisse zum übrigen Neichsgelete! in Kraft geblieben 
ist. Vgl. oben S. 41 bei Anm. 2. 
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