102 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 811.
Ausweisungsgrund vorliegt, vorbehaltlich allerdings ihrer civilrechtlichen Folgen für den
Aufenthalt der- unter ihrer eheherrlichen oder elterlichen Gewalt stehenden Personen CKr. 46)0.
Unter den gleichen Gesichtspunkt wie die auf Grund von § 3 des Freizhgigkeitsgesetzes
Kläsügen Aufenthaltsbeschränkungen fällt die in § 22 des sog. Sozialistengesetzes vom
21. Okt. 1878 der Landesno liteis ehörde (in Bayern Et reisregüerung K. d. J., nach
der M.-E. vom 23. Okt. 1878 Amtsbl. d. Minist. d. J. S 1 fl) eingeräumte Befugniß zur
Versagung des Aufenthalts in bestimmten Bezirken oder rnenn (jedoch nicht in dem seit
6 Monaten innegehabten Wohnsitz einer Person) gegenüber Personen, welche sich die Agitation
für sozialdemokratische, sozialistische oder dommunistische auf den Umsturz der bestehenden Staats=
oder Gesellschaftsordnung gerichtete Vestrebungen zum Geschäit machen, falls d ie Zulässigkeit
solcher Aufenthaltsbeschränkungen durch richterliches Urtheil neben einer wegen Zuwider-
pandmgen gegen die 8§ 17—20 des erwähuulen — verhängten Freiheitsstrase ausge-
sprochen ist.
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eichsrechtlich begründete Aufenthaltsbeschränkungen aus polizeilichen
Rücksichten sünd ferner noch zu erwähnen die Versagung oder Anweisung des Aufenl-
haltes in bestimmten Orten oder Bezirken gegenüber Angehörigen des Ordens der
Gesellschaft Jesu oder der ihm verwandten Orden oder ordensähnlichen Congregationen
nach dem Reichsges. vom 4. Juli 1872 82, den Orden der Gesellschaft Jesu betr. und die
sagung und nach Umständen auch die Anweisung des Aufenthaltes in bestimmten Begirken
oder Orten nach dem Reichsges. vom 4. Mai 1874, die Verhinderung der unbefugten
Ausübung von Kirchenämtern betr. 8§ 1 Abs. 1, 2, 3, Abs. 7, 5, gegenüber Geistlichen
oder andern Religionsdienern, welche durch gerichtliches ürtheil aus dem Amte entlassen, eine
den Anspruch der Fortdauer des Amtes einschließende Handlung vornehmen oder welche wegen
der Vornahme von Amtshandlungen in einem den Staatsgesetzen zuwider ihnen übertragenen
oder von ihnen übernommenen Kirchenamte zur Untersuchung gezogen oder rechtskräftig zu einer
Strafe verurtheilt worden sind.
Endlich ist in diesem Zusammenhange noch gedenken der Versagung des Aufent-
haltes in bestimmten Bezirken oder Ortschaften, welche durch sozialdemo-
kratische, sozialistische oder kommunistische, 19 den Umsturz der bestehenden Staats-
oder Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen mit Gefahr für die öffentliche Sicherheit
bedroht find, wie sie nach § 28 Abs. 1 des Sozialistengesetzes (ugl. dazu § 1 Abs. 1 des Reichsges.
vom 31. Mai 1880) gegenüber Personen, von denen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
oder Ordnung zu besorgen ist, für zulässig erklärt werden kann durch eine mit Genehmigung des
Bundesraths von der Centralbehörde (dem Gesammtstaatsministerium) auf die Dauer von längstens
einem Jahre getroffene Anordnung 1).
Das bayerische Gesetz über den Verwaltungsgerichtshof vom 8. August 1878 hat
in Art. 8 Ziff. 3Z bestrittene Rechtsansprüche und Verbindlichkeiten im Bezug
auf „Freizügigkeit und Aufenthalt“ innerhalb des Staatsgebietes als Verwal-
tungsrechtssachen erklärt, über welche in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtshof zu er-
kennen hat auf Berufung gegen die Entscheidung der Kreisregierung K. d. J. als zweiter
Instanz. Der auf diese Weise dem Rechte der Freizügigkeit verliehene besondere Rechts-
schutz') kommt jedoch nicht zur Anwendung, soweit nach Reichsrecht entweder die Berusfung
auf richterliches Gehör gegen Aufenthaltsbeschränkungen gestattet (Reichsges. vom
4. Mai 1874 8 3) oder lediglich das Rechtsmittel der Beschwerde an die Auf-
I) Die mit der Anwendung von Freiheitsstrafen und gesetzlichen Zwangs-
mitteln zusammenhängenden Aufenthaltsbeschränkungen können hier übergangen werden, gleich den
aus einem öffentlichen Dienstver hältnisse sich ergebenden (zu denen auch das nach § 60
5 des Reichsmilitärges. vom 2. Mai 1874 für die zur Disposition der Trapprnthrile beur-
Haunbten Maunschaften aufgestellte Erforderniß der militärischen Genehmigung zum Wechsel des
Aufenthaltsortes gehört) und den aus der Anwendung civilrechtlicher oder prozessualer
Bestimmungen hervorgehenden.
2) Ueber den Umfang desselben vgl. die Commentare von Krais S. 51 ff. und Kahr
S. 88 47 #an die Guscheidungen des Verwaltungsgerichtahofes in der Samml. I. 105 5 II. S. 70 ff.
374 ff. 718 ff. III. S. 364. Auf Grund von §8§8 4 und 5 des Freizügigkeitsges. steht auch den
o ne ein in letzter Instanz bei dem taunene e n zu verfolgender Rechts-
anspruch auf Ausweifung von Rech sangehörigen durch die zuständige Verwaltungs-
behörde zu. In den Jällen von § 3 Abs. 1 des Freizügigkeitsges., Art. 45 Ziff. 5 und 6 des
Heimathges. ist die Gemeinde im Falle der Abweisung ihres Antrags auf d nur! zur Be-
schwerdeführung im administrativen Instanzenzuge besugt. Vagl. Art. 52 Abs. 1 und 2 des
Heimathges. mit Art. 8 Ziff. 3 des Ges. vom 8. Aug. 1878 und die M.-E. vom 4. 4 1871
Ziff. 5, dpu K rais, (Lommentar S. 53 ff. und die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes
Sammi. II. 70 ff. 1 202 ff.