104 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 8 11.
ist hier der allgemeinen reichsrechtlichen Strafbestimmungen gegen unerlaubte
Rückkehr der des Bundesgebietes oder des Gebietes eines Einzelstaates Verwiesenen
(Reichsstrafgesetzbuch § 361 Ziff. 2) und der besonderen wegen Zuwiderhandlung gegen
die Ausweisung auf Grund des Sozialistengesetzes (§ 22 Abs. 3) zu gedenken. Endlich
ist in Betracht zu ziehen, daß für den Aufenthalt von Ausländern im Staatsgebiet
wie im Reichsgebiet vielfach Staatsverträge maßgebend sind, insbesondere
solche, welche die Auslieferung der Unterthanen fremder Staaten zur Verfolgung
oder Bestrafung wegen strafbarer Handlungen regeln, während bekanntermaßen ein
Deutscher einer ausländischen Regierung zur Verfolgung oder Bestra-
fung nicht überliefert werden darf. (Reichsstrafgesetzbuch 3 91). Kommen nunmehr
großentheils Staatsverträge des Deutschen Reiches hier in Betracht, so haben
doch auch noch manche in früherer Zeit von Bayern mit nichtdeutschen Staaten ge-
schlossene Anwendung zu finden )
2. Verehelichungsfreiheit. Das Recht der Verehelichung ist nach der
bayerischen Gesetzgebung nicht in so unbeschränkter Weise anerkannt wie sonst im Deut-
schen Reiche. Die Voraussetzungen und Beschränkungen, an welche dasselbe zur Zeit
gebunden ist, stehen im engsten Zusammenhang mit der gesammten Entwickelung des
öffentlichen Eherechtes in Bayern und mit der Ausbildung des hier in seiner wesentlichen
Bedeutung noch erhaltenen Rechtsinstitutes der Heimath in einer Gemeinde.
Das Erforderniß obrigkeitlicher Genehmigung der Eheschließung (zunächst in
der Landes- und Polizeiordnung von 1616 allerdings nur für Dienstboten, sog. Ehehalten, und
unvermögliche Leute ausgesprochen), die Nothwendigkeit der Zustimmungder Gemeinden
zur Eheschließung unvermöglicher Personen mit Rücksicht auf ihre denselben ge en
über eventuell wirksame Unterstützungspflicht, die Nothwendigkeit des landesfürstli
Sioist enses zur Verehelichung von kurfürstlichen Beamten und Bediensteten, das Verbot en
kirchlichen Trauung ohne solche obrigkeitliche oder kurfürstliche Erlaubniß und das der
Eheschließung außer Landes zur Umgehung der ndestechniwen Ehebeschränkungen war
in der bayerischen Gesetzgebung, namentlich der des 18. Jahrhunderts bis zum Schlusse d
lezteren, bereits zur Ausbildung gelommen o).
r übergehend war durch die B.-O. vom 12. Juli 1808, die Beförderung der
Heirathen auf dem Lande betr. (R.-B. 1505 ff.) die Nothwendiglkeit der Einwil.
igung und selbst der Vernehmung der Gem###- den bei den Heirathen unangesessener
Leute auf dem Lande aufgehoben worden, während hier andererseits das absolute Verbot
1) Ueber die Auslieferung der Angehörigen eines deutschen Einzelstaates an einen andern
zur Verfolgung und Bestrafung vgl. das R.-G.-V.-G. § 157 ff. und das Bundes-(Reichs).- Fe
betr. die Gewähung, der Rechtshilfe vom 21. Juni 1869 § 21 ff. und dazu Laband, Staatsr. 1
S. 160 III. 2 S. 67 ff. 73 ff. und in diesem Handb. II. 1. S. 2
2) Vgl. v54 lMaachweisungen bei Krais, Handb. II. S. 41 ff. und III. S. 320 und
v. Pechmann — Stadelmann S. 57 ff. und Nachtragband S. 27 lun ferner über Aus-
lieferungsverträge überhaupt v. Lul wer inh in diesem Handb. 1. u. S. 243 ff. und in
v. Holtzendorff's Rechtslexikon 3. Aufl. B S. 196 ff. Abgesehen von der Uebereinkunft
mit Oesterreich vom 15. Sept. 1854, durch koinn die Wirksamkeit des Beschlusses des ehemaligen
deutschen Bundes über die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern vom 26. Jan. 1854 auch
auf die nicht zum Bunde Febrisen. österreichisch Kronländer erstreckt wurde (vgl. die Ministerial-
erklärung vom 29. Nov. 1854 R.-B 7 ff.) sind als noch anwendbare Auslieferungsverträge
Lauerns mit außerdeutschen Staaten ur n0 n Der mit den Niederlanden vom 25. Oktober
R.-B. 185 .), der mit den Vereinigten Staaten von Amerika vom
— 1853 (R. B. 1854 S. 1089 ff.), der mit Rußland vom 26. Febr. 1869 (R.-B.
S. 769 z und der mit Frankreich vom 29. Nov. 1869 (R.«B. 2281 ff.)
Ueber die Entwickelung des Eheschließungsrechtes in Bayern bis zum Ende des 18. Jahr-
hundertn val. die Ausfihrungen und Nachweisungen in v. Riedel und v. Müller, Commentar
zum Ges. vom 16. April 1868, 5. Aufl. S. 2 ff. Das auch für die Entwickelung des Eheschließungs-
grchte sehr bedeutsame Bettelmandat vom 3. März 1780 verbot in Ziff. 11 und 13 den
Geistlichen, dem Wortlaute nach überhaupt irgend einen Kurfürstlichen Unterthanen ohne Nachweis
kurfürstlicher oder „der aufgestellten weltlichen Obrigkeiten Bewilligung“ zur Kopulation kommen
zu lassen; es handelt sich also hier doch wohl nicht blos um die Heirathen unangefessener Personen,
wie bei v. Riedel und v. Müller a. a. O. S. 19 angenommen wird.