Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

11. Die Rechte der Unterthanen. 109 
ration vom 21. April 1884 mit Gesetzeskraft versehene Landtagsbeschluß, für dessen Fassung 
mehrfach die entsprechenden Bestimmungen in Art. 45 des Gesetzes über die Gründe der Aus- 
weisung aus einer Gemeinde maßgebend waren, geht nach verschiedenen Richtungen über diesen 
Rahmen hinaus, indem er, namentlich im Interesse der Sicherheit und Sittlichkeit in der Ge- 
meinde, die Gründe des Einspruches vermehrt und solche auch mit Rücksicht auf eine Reihe in 
der Person der Braut eintretende Thatbestände anerkennt?). 
Die Zuständigkeit zur Gellendmachung des Einspruchébrechtes ist verschieden geregelt, je 
nachdem dasselbe einer Landgemeinde oder einer Gemeinde mit städtischer Verfassung 
zukommt. In Gemeinden der ersten Art steht dem Gemeindeausschusse die Geltendmachung 
des Einspruchsrechtes zu; in Gemeinden mit städ tischer Verfassung ist die Zuständigkeit 
zwischen dem Magistrate und dem Kollegium der Gemeindebevollmächtigten in der Art 
getheilkt, daß der erstere befugt ist, das vollständig nachgewiesene oder amtsbekannte „Nichtvor- 
handensein geseblicher Einspruchsgründe anzuerkennen", während „in zweifelhaften Fällen, sowie 
bei dem Vorhandensein eines unzweifelhaften Einspruchsgrundes“ die Gemeindebevollmächtigten 
zu beschließen haben, „ob Einspruch erhoben werden soll“ (Art. 36 Abs. 2). Wenn der die 
Eheschließung Beabsichtigende eine sog. angewiesene, nach gesetzlicher Bestimmung auch auf 
seine Ehefrau und auf seine Kinder ohne eigenen Hausstand übergehende Heimath hat, in welchem 
Falle eine etwaige nach Maßgabe des Gesetzes über die Armenpflege zu gewährende Unterstützung 
dem Staate in dem sonst von der Heimathgemeinde zu tragenden Umfange zur Last fällt (Art. 15 
bis 18 des Gesezes vom 16. April 1868), so steht das jonst der Gemeinde zukommende Recht 
des Einspruches aus den gleichen Gründen wie dieser, „dem Fiskalate jenes Regierungs-= 
bezirkes zu, in welchem die angewiesene Heirath liegt“ (Na. 36 Abs 3). 
Der Einspruch ist in jedem Falle binnen ausschließender Frist von 14 Tagen 
zu erheben, nach einer Aufforderung, welche in der Regel zugleich mit der Mittheilung von 
dem Gesuche um das Verehelichungszeugniß unter Vorstreckung dieser Frist von der Distriktsver- 
waltungsbehörde an die Heimathgemeinde zu richten ist, wenn der Gesuchsteller nicht durch eine 
von der Verwaltung dieser Gemeinde ausgefertigte schriftliche Erklärung sofort nachweist, daß 
ein im Gesetz (Art. 36) begründetes Einspruchsrecht nicht besteht oder nicht geltend gemacht 
werden will, während ein (unmittelbarer) Magistrat als Distriklsverwaltungsbehörde, das 
Gesuch mit der Aufforderung zur Erhebung etwaigen Einspruches innerhalb dieser Frist sofort 
den Gemeindebevollmächtigten zustellen muß, falls deren Zuständigkeit zur Beschlußfassung über 
die Erhebung des Einpruches gesetzlich (Art. 36 Abs. 2) begründet ist, und die Mittheilung und 
Aufforderung an das Kreisfiskalat ergeht, wenn der Gesuchsteller eine angewiesene Heimath 
hat (Art. 37 Abs. 1—3). „Ueber die geseßliche Zulässigkeit des erhobenen Einspruches 
1) Nach Art. 36 Abs. 1 des Heimathgesetzes in der Fassung der Novelle vom 21. April 
1884 kann die Heimathgemeinde gegen Ausstellung des Verehelichungözeugnisses Einspruch erheben: 
1. wenn und solange gegen den Mann oder die Braut wegen Verbrechens oder Ver- 
gehenus öffentliche Klage erhoben ist, 2. wenn der Mann oder die Braut wegen 
VBerbrechens oder Vergehens verurheilt worden ist und sich weder über Abbüßung noch 
Nachlaß der Strase auszuweisen vermag, 3. wenn der Mann oder die Braut zu einer 
Zuchthausstrafe oder wegen Verbrechens oder Vergehens gegen die Sittlichkeit, oder wegen 
Diebstahls, unterschlagung. Betrugs, Hehlerei, Fälschung, Gaukelei zu einer Freiheitsstrafe 
von wenigstens vier Wochen oder innerhalb der unmittelbar vorhergehenden drei 
Jahre mindestens dreimal wegen Arbeitsscheue, Landstreicherei oder Bettels verurtheilt worden 
ist, und seit Abbüßung oder Nachlaß der Strafe drei Jahre noch nicht verflossen sind; 
1. wenn die Braut wegen gewerbsmäßiger Unzucht verurtheilt worden ist und seit Ab. 
büstung oder Nachlaß der Strafe drei Jahre noch nicht abgelaufen sind, sowie wenn die Braut 
innerhalb der unmittelbar vorhergehenden drei Jahre wegen gewerbsmäßiger Unzucht 
polizeilicher Aufsicht unterstellt war, 5. wenn der Mann innerhalb der unmittelbar vorher- 
gehenden drei Jahre öffentliche Armenunterstützung beansprucht oder erhalten hat; 6. wenn 
und solange der Mann oder die Braut sich mit den der Gemeindekasse oder Armen kasse 
der Heimathgemeinde gegenüber obliegenden Leistungen im Rückstande befindet, 7. wenn 
und solange der Mann unter Vormundschaft slteht oder gegen ihn Antrag auf Ent- 
mündigung gestellt oder über sein Vermögen das Konkurs verfahren eröffnet ist. Die Eigen- 
artigkeit der hier in Frage kommenden bayerischen Rechtsbildung gegenüber dem sonstigen Rechts- 
zustand in Deutschland rechtfertigt wohl wie die eingehende Darstellung derselben überhaupt, so 
namentlich auch die vollständige Mittheilung der Gründe des Einspruchsrechtes der Gemeinden. Bei 
Löning, Lehrb. d. D. Verwaltungsrechts S. 719 findet sich noch die dem Zustand zur Zeit der Ab- 
fassung dieses Buches entsprechende Ausfzählung der Einspruchsgründe nach dem ursprüngl. Gesetzes- 
texte. Val- üb über die Einspruchsgründe im Einzelnen die Auggabe des Gesetzes von Reger S. 51 ff. 
und die Handausgabe desselben von v. Müller, Nördl. 1884 “ (55 ff., kerner über idie Ein- 
spruchsgründe nach der früheren Fassung v. Riedel und v. Mül a. a. O. 1 ff. An 
alen, - Orten finden sich auch Nachweisungen der einschlagenden Aderwa#en des ##clall-m- 
gerichtshofes.
	        
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