L Die Rechte der Unterthanen. 117
Da nach Art. 2 des Gewerbegesetzes vom 30. Januar 1868 „die Gewerbs-
befugnisse eines Inländers auch den Angehörigen anderer Staaten
zukommen“ sollen, unter Vorbehalt allerdings der Befugniß der Regierung „von dieser
Bestimmung eine Ausnahme in Bezug auf die Angehörigen jener Staaten eintreten zu
lassen, deren Gewerbegesetzgebungen in wesentlichen Punkten von den Grundsätzen dieses
(eben des Gewerbe-) Gesetzes in beschränkender Weise abweichen“, da andererseits in
Art. 26 des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867 die Gleichstellung der Angehörigen
aller Vereinsstaaten in Bezug auf „Arbeit und Erwerb“ theils festgesetzt, theils wenigstens
in Aussicht genommen war!?), so war eine wesentliche Aenderung des hier in Frage
kommenden Rechtszustandes nicht gegeben durch Art. 3 der R.-V., welcher kraft des „gemein=
samen Indigenats“ die Angehörigen jedes Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate
zum Gewerbebetrieb unter den gleichen Voraussetzungen wie die Einheimischen
zuzulassen gebietet. Als dann im Interesse der deutschen Rechtseinheit auf Anregung der
bayerischen Regierung die Einführung der Gewerbeordnung für den nord-
deutschen Bund vom 21. Juni 1869 durch das Reichsgesetz vom 12. Juni 1872
(Reichsges.-Bl. S. 170 ff.) in Bayern erfolgte 4), trat eine prinzipielle Aenderung des
in Bayern geltenden Gewerberechtes nicht ein, jedenfalls nicht mit Rücksicht auf die
Anerkennung der Gewerbefreiheit, wenn auch die Gewerbeordnung (namentlich in ihrer
damaligen Fassung) mancherlei, zum Theile ziemlich tiefgreifende Verschiedenheiten von
der bayerischen Gewerbegesetzgebung in ihrer letzten Entwickelung zeigte 5.
Wie die Gewerbeordnung selbst, so sind auch die anderen auf das Gewerberecht
sich beziehenden Reichsgesetze in Bayern zur Geltung gekommen, insbesondere die ver-
schiedenen Novellen zur Gewerbeordnung, welche zum größten Theile
unmittelbare oder mittelbare Beschränkungen des in der Gewerbeordnung gewährten
Maßes der Gewerbefreiheit enthalten).
M Oie . vom 27. Febr. 1869 die Regelung der Verhältnisse der Kaminkehrer betr.
R.-B
Siser e Beachtung dieser das Gewerbegesetz vom 30. Januar 1868 ergänzenden Bestim-
mungen ergibt ein vollständiges Bild der damoligen bayerischen Gewerbegesehgebung, welches sich
aus der kurzen Darstellung von Kaigl a O. I3|1 fl. nicht gewinnen läßt. Auch mag in
diesem Zusammenhange noch der in den Jöbren s und 1869 erfolgten Aufhebung den eon K. ligei-
inn Leben ösmitteltaxen gedacht werden (V.-O. vom 11. und 19. Mai R.-B.
S. 519 ff. 537 ff. [Fleischtaxe und Biertaris) und 18. Sepl. 1869 (R.-B. S. 1705 r Lant für
Mehl und Brodl)).
1) Vgl. den Commentar von Schöller zum Gewerbe-Ges. vom 30. Jan. 1868 S. 13.
2) Die einzige in diesem Gesetze enthaltene Modifikation des Inhalts der D. Gewerbeord-
nung in ihrer Anwendung auf Bayern (§ 1 Abs. 2, 3) ist durch die Novelle zur Gewerbeordnung
vom 23. Juli 1879 (Reichsges.-Bl. S. 267 ff.) Art. 3 Abs. 2 zum Theile wieder aufgehoben
werden, so daß im Gegensatze zu § 33 der Gewerbeordnung nun noch der Ausschank des eigenen
Erzeugnisses an Getränken von polizeilicher Bewilligung in dem bisher in Bayern rechtlich aner-
kannten Umfange (Art. 9 b Ziff. 1 des Ges. v. 30. Jan. 1868) unabhängig bleibt, jedoch unter gesetzlich
bestimmten Voraussehungen durch obrigkeitliche Anordnung eingestellt werden kann. Vgl hiezu
Reger, Erläuterungen zu der in Bayern geltenden Sozialgesetzgebung, Beil.-Band z. d. Bl. f.
adm. Pr. 1880 S. 216 ff. und den sofort zu erwähnenden Commentar zur Gewerbeordnung v.
eman S. 124
Vergleichungen des Inhaltes der Gewerbeordnung mit dem Bestande der bayerischen
Gewerbegesetgebung zur Säit ber Einfährung der ersteren in Veeern, finden sich in den Blättern
f. a axis Bd. 320 ff 337 ff., ferner bei Wirsching - die deutsche Heerbe
dan. n s. w. (in —Wr4 se des Kgr. Bayern Th. II Bd. I. fl.)
Es ergibt sich, daß die bayerische Gesetzgebung weit bedeutendere Shelnres S Fee#
freiheit für die einzelnen Gewerbetreibenden enthält als die damalige Fassung der Gewerbeordnung.
während andererseits die Bestimmungen der letzteren über die „Innungen" schon damals eine
wesentliche Verschiedenheit von den kurzen Sähen des Gewerbeges. vom 30. Jan. 1868 über die
„gewerblichen Verbindungen" zeigen.
4) Vgl. die Zusammenstellung der hier in Betracht kommenden reichsrechtlichen Be stimmungen
bei Bödiker, das Gewerberecht des Deutschen Reiches, Berlin 1883 (daselbst S. 1—69 die „Ent-