811. Die Rechte der Unterthanen. 121
Uebereinstimmend mit dem bayerischen Gewerbegesetz vom 830. Januar 1868)
hat die deutsche Gewerbeordnung den Grundsatz der Gewerbefreiheit in dem Sinne
der Anerkennung der prinzipiell unbeschränkten Zulassung zum Ge-
werbebetriebe verstanden, zugleich aber hat sie nicht nur öffentlich-rechtliche Be-
schränkungen in der Ausübung des Gewerbebetriebes theils selbst festgesetzt,
theils, soweit sie anderweit begründet sind, ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt,
sondern auch zahlreiche Ausnahmen öffentlich-rechtlicher Natur von jenem Grund-
satze der unbeschränkten Zulassung zum Gewerbebetriebe wiederum theils
selbst ausgesprochen, theils vorbehalten?). Diesen Ausnahmen und Beschränkungen
reihen sich dann gleichartige Vorschristen an, die theils in später als die Gewerbe-
ordnung erlassenen Reichsgesetzen enthalten sind (so z. B. in dem Sozialistengesetz
vom 21. Okt. 1878 §§ 23, 24, in den Reichsgesetzen vom 13. Mai 1884 die Anfer-
tigung und Verzollung von Zündhölzern betr., 9. Juni 1884 gegen den verbrecheri-
schen und gemeinge fährlichen Gebrauch von Sprengstoffen und vom
16. Juli 1884 über den Feingehalt der Gold= und Silberwaaren), theils auf
dem von der deutschen Gewerbeordnung (vgl. 8 6 derselben) nicht berührten Gebiete der
Landesgesetzgebung sich finden.
Sind so Ausnahmen von dem Grundsatze der Eewerbefreiheit (im
Sime der allgmeinen Zulassung zum Gewerbebetriebe) und Beschränkungen in der Aus-
übung des Gewerbebetriebes an sich zu unterscheiden, so ist doch anzuerkennen, daß
manche "z* 5 iche Bestim egenr nach Umständen die eine oder die andere Bedeutung
haben können, sowie, daß Vorschriften, aus denen sich rechtlich wesentlich Beschränkungen in
der Ausübung des Gewerbebetriebs ergeben, in ihrer Anwendung thatsächlich auch
gleich Hindernissen der Zulassung zum Gewerbebetriebe wirken können, indem
sie den in seinem Beginn an sich freien Betrieb eines Gewerbes thatsächlich unmöglich zu
machen oder doch auf den Entschluß zu diesem Beginne hemmend einzuwirken geeignet sind)
Hier sind vor Allem die, Unmittelbare Ausnahmen von dem Grundsatze der
Gewerbefreiheit in dem oben bezeichneten Sinne enthaltenden reichs= und landes-
rechtlichen Bestimmungen in Betracht zu ziehen, im Anschluß an die in der
deutschen Gewerbeordnung für die hier einschlagenden Vorschriften beobachtete
Reihenfolge.
Demnach sind zunächst die „Beschränkungen des Betriebes einzelner
Gewerbe, welche auf den Zoll--, Steuer= und Postgesetzen beruhen“ (§ 5) und
u. art. 13—6, 8.—24, 28— 31 des Ges. vom 30. Jan. 1868.
.. Jenseit nicht durch dieses Gesetz Ansnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben
oder n#ispen 1 Ueber den stillschweigenden allgemeinen Vorbehalt der in den allgemeinen
polizeilichen Vorschriften enthaltenen Beschränkungen der Ausübung des Gewerbebetriebes vgl.
die Motive zum Entwurfe der Gewerbeordnung von 1868 im Stenogr. Bericht über die Verhandl.
des nordd. Reichstages II. S. 127 und die zum Entwurf von 1869 Sten. Ber. III. S. 110, 117.
Vgl. serner hieher Seydel a. a. O. S. 596, Löning a. a. O. S. 483 und die Commentare
von Wirschinger S. 10 ff. und Lovemohn S. 20. Engelmann in s. Commentar zur Ge-
werbeordnung S. 60 will die in § 1 Abs. 1 der Gewerbeordnung erwähnten Ausnahmen und Be-
schränkungen nur auf die Ausübung eines Gewerbebetriebs, nicht auch auf die Zulassung zu
einem solchen beziehen.
3) Beispiele bieten einerseits die Vorschriften in § 16 der Gewerbeordnung über die Noth-
wendigkeit der Genehmigung von gewerblichen Anlagen, die unter Umständen nur als die
Ausübung eines Gewerbebetriebs beschränkend in Betracht kommen können, sodann die
Bestimmung in § 100e der Gewerbeordnung (ergänzt durch das Reichsges. vom 8. Dezb rx. 1884)
über die der höheren Verwaltungabeherde (in Bayern nach der V.-O. vom 1. Aug. 1881 G.= und
V.-B. S. 937, Kreisregierung K. d. J.) eingeräumte Befugniß zur Erlassung von Bestimmungen
für dem Bezirk einer Innung, deren Thätigkeit auf dem Gebiete des Lehrlingswesens sich bewährt
hat, durch welche dieser Innung und den ihr angehörigen Arbeitgebern bestimmte Vorrechte gegen-
über den ihr nicht angehörigen, wenn schon der Aufnahme in dieselbe fähigen Arbeitgebern ver-
liehen werden. Von dieser Fefumi ist übrigens meines Wissens (vgl. auch die Bemerking bei
Landmann a. a. O. S. 343 Anm. 2) in Bayern bis jetzt noch nicht Gebrauch gemacht worden.