811. Die Rechte der Unterthanen. 189
Die vielfachen Beschränkungen, welchen die Ausübung des in seinem Beginne
grundsätzlich freien Gewerbebetriebes theils nach Reichsrecht, theils nach
Landesrecht unterworfen ist (oben S. 121), sind zum Theile schon in den bisherigen
Ausführungen erwähnt worden. Im Folgenden mag noch auf einige Rechtsbestim-
mungen von mehr oder minder eingreifender Bedeutung hingewiesen werden,
welche solche Beschränkungen entweder unmittelbar anordnen oder wenigstens er-
möglichen, um insbesondere die Ergänzung des Reichsrechtes durch das Lan-
desrecht in dieser Richtung anzudeuten. Eine vollständige Aufzählung aller, möglicher
Weise einmal zur Anwendung kommenden Beschränkungen der Ausübung des Gewerbe-
betriebes erscheint als ebenso unthunlich wie unnöthig.
Die hier in Frage kommenden Bestimmungen sind theils in der Gewerbeordnung
selbst enthalten, oder doch auf Grund derselben reichsrechtlich oder landesrechtlich
festgesetzt worden, theils gelten sie unabhängig von ihr. Ihrem Inhalte nach beziehen
sie sich theils auf alle Gewerbebetriebe oder doch auf einen größeren Kreis
von solchen, theils auf ein zelne Arten des Gewerbebetriebes.
Zu der ersten dieser eben erwähnten Gruppen gehört die Mehrzahl der Bestim-
mungen im VII. Titel der Gewerbeordnung über die Verhältnisse der gewerblichen
Arbeiter ) und die auf Grund einzelner dieser Bestimmungen ergangenen Bundes-
rathsverordnungen, soferne hier die selbständigen Gewerbetreibenden im Interesse
der von ihnen beschäftigten Arbeiter zu gewissen Handlungen oder Unterlassungen ver-
pflichtet werden und die ersteren mit Rücksicht auf die Erfüllung solcher Verpflichtungen
polizeilicher Kontrole oder auch Zwangsübung unterworfen werden können — Be-
stimmungen, welche zum großen Theile, wenn auch nicht ausschließlich, Be-
schränkungen der Freiheit der Vertragschließung zwischen Arbeitgeber und
Arbeiter enthalten und theils zum Schutze der gewerblichen Arbeiter über-
haupt dienen sollen (Unzulässigkeit vertragsmäßiger Verpflichtung der Arbeiter zur Ar-
beit an Sonn= und Feiertagen § 105 Abs. 2. 3. Schutz der Arbeiter gegen das sog.
Trucksystem [Verpflichtung der Gewerbetreibenden, die Löhne ihrer Arbeiter „baar in
Reichswährung“ auszuzahlen!) §88 115—119, Verpflichtung der Gewerbeunternehmer zur
Herstellung und Erhaltung aller „mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Ge-
werbebetriebes und der Betriebsstätte zu thunlichster Sicherheit gegen Gefahr für Leben
und Gesundheit“ nothwendig erscheinenden Einrichtungen 8 120 Abs. 3, Verpflichtung
der Arbeitgeber zur Ausstellung eines Zeugnisses über Art und Dauer der Beschäftigung
ihrer Arbeiter und deren Führung bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses § 113) ),
theils insbesondere den Schutz der Arbeiterinnen, namentlich der Wöchnerinnen
unter denselben, bezwecken (8 135 Abs. 5, 139a Abs. 1), überwiegend aber sich auf die
Verhältnisse der jugendlichen Arbeiter, namentlich der in Fabriken und diesen in 8 154
1) Von den auf Grund von Titel VI. der Gewerbe-Ordnung für die Mitglieder
gewerblicher Innungen durch die Innungsstatuten und deren Handhabung eintretenden
Beschränkungen in der Ausübung der Gewerbebetriebes ist hier ebenso abzusehen, wie von der in den
Bestimmungen dieses Titels begründeten Unterwerfung der Innungen selbst unter die Auf-
sicht der Gemeindehörden und der statlichen PVerwaltungsbehorden, Vgl. hieher die übersicht-
lichen Darstellungen von Seydel a. a. O. 600 ff. und in den Lehrbüchern des Verwaltungs-
rechts von G. Meyer I S. 397 ff. und Lning S. 519 ff. Ueber § 100e der Gew.-O vgl.
oben s; 121. Anm. 3.)
2) Vgl. hieher die iso Arrrager in 8§ 146 Ziff. 1, 147 Ziff. 4 der Gew.-O. Gegen
die aus dem Wortlaute von § 1 3. (im Vergleiche zu dem des euipregenden s 8 107 der
krüheren Fassung der Gew.-O.) lblen Auffassung von Seydel a. a. O. 691 Anm. 4.,
ch hier nicht ausschließlich um Ficherung der Krbeher, handle, en. Landmann
378 Anm. 6. und Kayser, a. a. O. S.