8 11. Die Rechte der Unterthanen. 155
Am 4. Juni 1848 wurde das neue Edikt über die Freiheit der Presse und des
Buchhandels erlassen (das sog. Preßedilt oben S. 23, 83 ff.)0, durch welches das bis-
her in dieser Weise bezeichnete Edikt vollständig aufgehoben wurde (§ 10). In dem
neuen Edikte ist der Gedanke der Preßfreiheit in umfassender Weise zur Geltung
gekommen. Als Folgerungen aus dem in Tit. IV., § 11 der V.-U. ausgesprochenen
Grundsatze der Freiheit der Presse und des Buchhandels werden genannt: für jeden
Verfasser, oder wer dessen Rechte erworben hat, hinsichtlich seiner Schriften,
freier Gebrauch der Presse, freie Herausgabe und freier Verlag;
für jeden gewerbsberechtigten Inhaber einer Schriftdruckerei, oder lithographi-
schen, oder wie sonst zur Vervielfältigung von Schriften dienlichen Anstalt freier
Druck der zur Presse übergebenen Schriften; für jeden gewerbsberechtigten
Buchhändler freier Verkehr mit den aus den Pressen des Inlandes oder des
Auslandes hervorgegangenen Schriften (§ 1). Die Unabhängigkeit des Erscheinens
der Preßerzeugnisse von obrigkeitlicher Prüfung oder Genehmigung des
Inhalts oder überhaupt von irgend einer obrigkeitlichen Erlaubniß wird mit beson-
derer Beziehung auf politische Zeitungen und alle anderen periodischen Schrif-
ten ausdrücklich anerkannt (8 2).
Wenn sodann besondere (oben S. 83 und 84 bereits erwähnte) Bestimmungen
über Voraussetzungen und Form eines Strafverfahrens in Preßangelegenheiten
und die gerichtliche Zuständigkeit in Fällen eines solchen Verfahrens zum Schutze
der Preßfreiheit getroffen sind (§§ 5—7) und die polizeiliche Beschlagnahme von
Preßerzeugnissen nicht mehr wie im Edikt von 1818 (88 7—8) als selbständige, im
Verfolge unter Umständen zum öffentlichen Verbote und zur Confiskation der Schrift
führende Maßregel anerkannt ist, sondern nur noch als provisorische, welche die Ein-
leitung eines Strafverfahrens längstens binnen 8 Tagen nach sich ziehen soll (5 8),
wenn ferner die Einführung von Beschränkungen der Freiheit der Presse und des Buch-
handels „im Verwaltungswege“ ausdrücklich ausgeschlossen ist, so sind andererseits ge-
setzliche Beschränkungen dieser Freiheit in bestimmter Weise vorbehalten (8 5).
Außer von Erzeugnissen der Presse im eigentlichen Sinne sollen aber die Bestim-
mungen des neuen Ediktes auch von Gemälden, Bildern, Zeichnungen, Kupferstichen,
Erzeugnissen der Lithographie, Holzschnitten und überhaupt von jeder Art und Form
sinnlicher Darstellungen und Mittheilungen an das Publikum gelten (5§ 9)2).
Das als nothwendige Ergänzung des Preßediktes erlassene, jetzt allerdings vollständig
außer Geltung gekommene Gesetz zum Schutze gegen den Mißbrauch der Presse
vom 17. März 1850 (sog. Preßstrafgesetz') oben S. 24) enthält außer Bestim-
mungen über die Bestrafung von Preßverbrechen und Preßvergehen und außer
verschiedenen prozessualen Vorschriften eine Anzahl preßpolizeilicher Anord-
nungeny.
der in der III. Versassungsbeilage grundsäßlich aufrecht erhaltenen Censur periodischer
Blätter politischen oder statistischen Inhaltes, soferne es sich um die innere Wi (innere
Land-zangelegenbeiten) handelte, giwersse thatsächlich Umgang genommen wurde. Vgl. die M.-E. vom
27. Juni 1832 (D inger II. SnkAb#s fl), zub 8. März 1836 (Döllinger III. S. 323 ff.)
und die BV.O. —8 9 Dez. 7 (R. -B S 9 ff.).
1) Die Censur 2 d0#6 und innere #nnl.)e-5 war schon kraft der lns vor der
Abhanlung König Ludwigs I. (oben S. 23) erlassenen Proklamation vom 6. März 1818 (N.-Bl.
S. 105 ff.) „außer Anwendung getreten“.
2) Vgl. die analoge Bestimmung in Art. 50 des sofort zu erwähnenden Preßstrafgesetzes vom
17. März 1850 und die an deren Stelle getretene in Art. 8 des Strafgesetzbuches vom 10. Nov. 1861.
3) Vgl. den Commentar zu diesem Gesetze von Brater in Dollmanns Gesetgebng des
Kgr. Bayern Th. III B
4) Vgl. die I#sden alt bei Pögl, Verwaltungsrecht 1. Aufl. 1856, S. 210 ff. Daß