160 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. F 11.
liche Vertheilung von Bekanntmachungen, Plakaten und Aufrufen zu er-
lassen“, als durch das Reichspreßgesetz „nicht berührt“ erklärt wurde (Preßges. § 30, Abs. 2)
blieben zunächst die entsprechenden Vorschriften in Art. 38 und 42 des Preßstraf-
gesetzes vom 17. März 1850 in Kraft. Diese landesrechtlichen Bestimmungen sind
nunmehr in neuer Fassung in das Ausführungsgesetz zur R.-St.-P.-O. (Art. 12, 13) über-
gegangen. Demnach ist das Anschlagen, Anheften, Ausstellen oder öffentliche
unentgeltliche Vertheilen von Bekanntmachungen, Plakaten oder Aufrufen
auf Straßen oder öffentlichen Plätzen, ohne polizeiliche Erlaubniß, geschehe dies in
eigener Person oder durch die Vermittelung eines hiezu veranlaßten Anderen, mit Haft
bis zu 14 Tagen und Geldstrafe bis zu 90 Mark bedroht (Art. 12 Abs. 1).
Bei dem Vorhandensein „mildernder Umstände“ kann das Gericht entweder auf
Haft bis zu 14 Tagen oder auf Geldstrafe bis zu 90 Mark erkennen. Auch kann neben der
Strase auf Einziehung der gesetzwidrig verbreiteten, aber R nicht in fremdes Eigenthum
übergegangenen Schriften erkannt werden. (Art. 12 Abs. 2. 3.).
Ausdrücklich ist die Polizeibehörde als befugt rallärt. jede dieser Bestimmung
zuwider verbreitete Schrift sogleich mit Beschlag zu belegen, und ausdrücklich ist die
fortdauernde Anwendbarkeit von 8 8 des bayerischen Preßediktes auf die Fälle solcher
Beschlagnahmen ausgesprochen (Art. 13).
Demnach ist in der die polizeiliche Beschlagnahme anordnenden Verfügung die straf-
gesetzliche Bestimmung, wegen deren Verletzung sie erfolgt, ausdrücklich zu erwähnen, und muß
einer solchen Beschlagnahme die Einleitung des strasgerichtlichen Verfahrens binnen längstens
acht Tagen folgen .
Daß die Preßfreiheit, wie sie nunmehr durch die Reichsgesetzgebung begründet ist,
auch für die im Reichsgebiet sich aufhaltenden Ausländer besteht, kann
an sich keinem Zweifel unterliegen. Auf besonderen gesetzgeberischen Erwägungen beruht
es, daß die im Auslande erscheinenden periodischen Druckschriften reichs-
setzlich in mehrfacher Weise ungünstiger gestellt sind, als die inländischen).
Wie die Anwendung der (oben S. 157) erwähnten in § 3 des Reichspostgesetzes
ausgesprochenen Grundsätze ausdrücklich auf die im Gebiete des Deutschen Reiches erscheinen-
den politischen Zeitungen beschränkt ist, wie ferner ein administratives Verbol
der Regel nach nur gegenüber ausländischen periodischen Druckschriften möglich ist.
(Preßges. 5 14, oben S. 159) so ist gegen ein auf Grund von 88 11 und 12, Abs. 1
des Sozialistenges. seitens des Reichkanzlers erlassenen Verbot der ferneren
Verbreitung einer im Auslande erscheinenden periodischen Druck-
schrift ein Rechtsmittel nicht gegeben, während gegen ein von der Landes-
polizeibehörde, welche in den unter den § 11 des Sozialistengesetzes zu begreisen-
den Fällen der Regel nach zuständig ist, (8§ 12, Abs. 1) erlassenes Verbot regelmäßig
Beschwerde an die auf Grund von § 26 des Gesetzes bestehende „Reichscommission“
ergriffen werden kann)).
1) Daß neben diesen Bestimmungen die Vorschriften in 88 5, 6 des Preßgesetz. und in §§ 43
und 55 der Gew.-O. angwpoenden sind, ist ebono unzweifelhaft als die fortdauernde Geltung der Be-
siimmungen in Art. 37 Abs. 1 Ziff. 2, 3 und Abs. 2 des Polizeistrafgesetzb. von 1871, welche das
nschlagen oder 4. efnne von Privatankündigungen gegen ortspolizeiliches Verbot oder gegen
Verbot des Eigenthümers an fremdem Privateigenthum und das unbefugte aus Bosheit oder Muth-
willen erlolgende Vernichten, Wegnehmen, 'ß Unlesbarmachen fremder Anschläge unter Strafe stellt.
Zal. v. Riedel, Polizeistrafgesetzb. S. 247 ff., Staudinger, das Strafgesetzb., Ergänzungsband
296 ff. und d. Polizeistrafgesetzb. S. 33 ff.
Val. die Commentare zum SF. Salsb- von Margnardsen S. 91 ff. und v. Schwarze
. 63 ff., ferner Berner a. a. O. S. 246 ff. und v. Liszt
3) Vgl. hieher G. Meyer, Verwaltungsrecht 1 S. 170 und 10 Commentare zum Sozialisten-