Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

162 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. • 11. 
edikt von 1818 oben S. 19, 39, Anm. 2). Diese Vorschriften sind in ihrer 
großen Mehrzahl auch heute noch maßgebend für die Art und das Maß der 
Anerkennung der Gewissensfreiheit in Bayern. Eine wesentliche Aenderung 
haben sie jedoch in soferne erfahren, als an Stelle der in der V.-U. begründeten 
Beschränkung der Gleichstellung im Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte auf 
die Angehörigen der „in dem Königreiche bestehenden dreyschristlichen Kirchen-Gesell- 
schaften“ ) in allmählicher Entwickelung, deren Endpunkt das Reichsgesetz vom 3. Juli 
1869 bildet, die Anerkennung der vollkommenen Unabhängigkeit der bürgerlichen 
und staatsbürgerlichen Rechte vom Glaubensbekenntniß getreten ist?). 
In Uebereinstimmung mit dem früheren Rechte, namentlich mit dem Religions- 
edikte von 1809 wird in Tit. IV 8 9, Abs. 1 „jedem Einwohner des Reiches 
vollkommene Gewissens-Freyheit gesichert“:) Aus dieser allgemeinen Zusiche- 
rung werden dann unmittelbar zwei Folgerungen abgeleitet: 
1. Das Verbot, irgend einen Einwohner des Reiches „in Gegenständen des 
Glaubens und Gewissens“ einem Zwange zu unterwerfen (Beil. II § 2). Dem- 
gemäß erklärt das Religionsedikt, nachdem es in § 41 die Verpflichtung eines jeden 
Mitgliedes einer Kirchengesellschaft anerkannt hat, „der darin eingeführten Kirchenzucht 
sich zu unterwersen“ (§ 41), andererseits, daß „keine Kirchengewalt befugt ist, Glaubens- 
gesetze gegen ihre Mitglieder mit äußerem Zwange geltend zu machen“ (§ 42), es 
setzt fest, daß „keinem kirchlichen Zwangs= Mittel irgend ein Einfluß auf das gesellschaft- 
liche Leben und die bürgerlichen Verhältnisse ohne Einwilligung der Staats-Gewalt im 
Staate gestattet“ wird (§ 71). Die in dem Religionsedikt (§ 52 ff.) den durch Hand- 
lungen der geistlichen Gewalt gegen die festgesetzte Ordnung Beschwerten gegebene Befugniß der 
Anrufung des „Königlichen Landesfürstlichen Schutzes“ (recursus ab abusu) 
ist zweifellos auch in den Fällen der Uebertretung jener Bestimmungen begründet. 
Andererseits kann (nach § 82 des Rel.-Ed.) „keine Kirchen-Gesellschaft (also auch kein 
Angehöriger einer dieser Gesellschaften) verbindlich gemacht werden an dem äußeren 
Gottesdienst der andern Antheil zu nehmen“. (Beil. II 8 82, Satz 1.) 
„Kein Religionstheil ist demnach schuldig, die besonderen Feyertage des andern zu feyern 
sondern es soll ihm frey stehen, an solchen Tagen sein Gewerbe und seine Handthierung aus- 
müben, jedoch ohne Störung des Gottesdienstes des anderen Theiles“ und ohne Verletzung der 
rach § 80 der II. Verf.-Beil. von jeder „Religions-Gesellschaft der anderen bey Ausübung ihrer 
wligifen Handlungen und Gebräuche“ zu erweisenden Achtung (§ 82 Sah 2). 
Auch kann „kein Geistlicher gezwungen werden, das Begräbniß eines fremden Religions- 
verwandten en nach den Feierlichkeiten seiner Kirche zu verrichten“ Geil. II 8 101)). 
  
) Vgl außer derVDvotnlOJan803dasReltgtonöedrltvo111809§§98,29JU 
Tit. IV. § 9 Abs. 2, 3, II Verf.-Beil. 88 24, 25. 
2) Vgl. oben S. 39 ., 46, dazu Bl. f. adm. Praxis Bd. 18 S. 17 ff., 34 ff. (A. E.), 
ferner Mayer a. a. S. 147. 
Ueber die mit der Minderjährigkeit und dem elterlichen Erziehungerect zusammenhängen- 
den r der Gewissensfreiheit ist sofort im Texte zu 
. zu den im Texte angeführten Stellen des Rel. -ellan 2 Dorstellungen. von 
#hudihe Deutsches Kircherriche des 1 P-.ahrhunderts . 1 Leipzig 1877, 85 8ff 32 ff. 
E. Mayer S. 152 ff. und Reinhard 181 ff. In diesem Zusammenhange unans ½46% noch 
hingewiesen werden auf die in V.-U. Tit. IV. 8 9 n 4 und wiederholt in Beil. II § 50 in wesent- 
licher Uebereinstimmung mit Abs. 2 der V.-O. vom 7. Mai 1804 die Verhältnisse zur geistlichen 
Gewalt betr. (R.-B. S. 509 ff. und darnach bei Döllinger B-d. VIII S. 67 ff., vgl. noch über 
diese V.-O. Seydel. Bayer. Staatsrecht I S. 335) und § 55 des Rel.-Ediktes von 1809 ent- 
haltene Vorschrift: daß „die weltliche Regierung in rein geistlichen Gegenständen (sic) der Re- 
ligions-Lehre und des Gewissens sich nicht einmischen darf, als in soweit das Obersthoheitliche 
Schutz= und Aussichts-Recht (gegenüber den Religionsgesellschaften] eintritt.“ 
  
 
	        
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