166 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 11
Nach diesen Bestimmungen des Religionsediktes entscheidet über die religiöse Er-
ziehung der Kinder von Eltern, Jdie verschiedenen Glaubens-Bekenntnissen hiugethan sind“,
zunächst die vertragsmäßige Festsetung der Eltern (II. Beil. 8§ 12, 13). Sind aber e eine
Ehepacten oder sonstige Verträge hierüber errichtet, oder ist in jenen über die religlhhe Erziehung
der Kinder nichts verordnet worden, so folgen die Söhne der Religion des Vaters; die
Töchter werden in dem Glaubens-Bekenntnisse der Mutter erbogen (& 14.)
Ausdrücklich ist dann verfügt, daß weder der Tod der Eltern, noch „die Eheschei-
dungen oder alle sonstigen rechtsgültigen Auflösungen der Ehe“ an der Anwendung dieser
Bestimmungen etwmas ändern können (5§ 16, 17), und daß „ein das Religions-Verhältniß der
Kinder bestimmender Ehevertrag“ auch tof etwaigen Ueberganges der Eltern zu einem anderen
Glanbensbekenntniß seine Rechtswirksamkeit behält, so lange die Ehe noch gemischt
bleibt, daß aber dann, wenn die Ehe durch den Uebergang des einen Ehegatten zur Religion
des andern „aufhört, gemischt zu sein", die Kinder der nun gleichen Religion ihrer
Eltern folgen, ausgenommen sie waren — dem bestehenden Ehevertrage gemäß — durch
die Confirmation oder Communion bereits in die Kirche einer andern Confession aufge-
nommen, in welchem Falle sie bis zum erlangten Unterscheidungs-Jahre darin zu belassen
sind.“ (8 18.)
Im Anschlusse hieran enthält das Religionsedikt Bestimmungen über die religiöse
Erziehung von Pflegekindern, unehelichen Kindern und Findlingen, welche,
mindestens zum Theile, gleichfalls unter dem Gesichtspunkt der Beschränkung des
Rechtes der religiösen Kindererziehung betrachtet werden müssen.
„Pflegkinder werden nach jenem Glaubens-Bekenntnisse erzogen, welchem sie in ihrem
vorigen Stande zu folgen hatten" (Beil. I1 § 18). Die durch Heirath legitimirten und
„die übrigen natürlichen Kinder, wenn sie von einem Vater anerkannt sind“, werden
in Beziehung auf den Religions- unterricht- (6 20, § 21: „in Ansehung der Religions-
anlassung gegeben. §& über das 2i, ce# wligiössen Kindererziehung niach dboerischem Recht
r S.
Silbernagl a. o. O. S. 18 ff., 3 ff., 207 ff., Rein 184 dazu
Richter, êeecht 8. Aufl. von Ster • Kass 5 1012 fl. und Thudichum, deutsches
Kirchenrecht d. 19. Jahrh. 1 S. 53 ff. Vgl. Bl. f. adm. Praxis Bd. 3 S. 72 fl., 88 ff. (s),
auch
RBd. 35. S. 47 ff. (Fr.), S. 369 ff., 385 ff (#ue 27 K.), gorae Ztschr. f. Shep von Dove und
Friedberg Bdl. XIII S. 201 ff. und v Sch rliiidenBlteriifRechtsaciiveiidiiiigBdM
l4«)lhlfi.BieleMEdiehietiii Betracht lommen, sind Hesamnelt bei Döllinger VIII
S. 38 ff., XXIII S. 25 ff. und Günther, Amishandb. S. 108 ff. Eine Nachweisung der die
religiöse Kindererziehung betreffenden Entscheidungen des HKln Verwaltungsgerichtshofes siehe
bei Hutter, Rechtsgrundsätze der Entscheidungen des bayer. Verwaltungsgericht hofes Nr. 102
126 ff., dazu kommen noch euerdings die in der Sammlung Bd. V S. 76 ff., 107 ff., 179 fl.,
Vvi S. 174 ff., 178 ff., VII S. 11 f#., 16 ff. mitgetheilten Entscheidungen. Auf alle einzelnen
streitigen Fragen einzugehen, ist hier Alhalbih- doch möchte ich wenigstens bemerken, daß ich die in
den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zur Geltung gekommenen Anschauungen für
wohl begründet halte, welche dahin gehen, daß vertragsmäßige Bestimmungen üÜber
die religiöse Erlie hung von Kindern aus gemischten Eßen ausnahmslos nur in
der nach den bürgerlichen Gesetzen für den Abschluß von Eheverträgen
vorgeschr iebenen Form giltig getroffen werden können; daß aus den Bestimmungen in
§§ 12—23 des Religionsediktes eine rechtliche Pflicht zur religiösen Erziehung der Kinder
solge, daß aber eine Uebertragung der Vorschrüften in §§ 14 ff. über die religiöse
Erziehung der Kinder aus gemischten S#en auf die religiöse Erziehung der
Kinder aus ungemischten Ehen unzulässig sei. Auch kann ich nicht mit E. Mayer (S 214
und in Anm. 30) annehmen, daß die religiöse Chiehungspewalt nur gebraucht! werden
könne zur Erziehung im Glauben einer vom Staat aufgenommenen Kirche ngefell—
schaft, weil die Befugniß, die Aufnahme eines Kindes in die zuständige (anerkannte) Kirchengesell-
schaft zu genehmigen, ein Theil des religiösen Erziehungsrechtes eim Sinne des Rel.-Ediktes sei,
und daß in Bezug auf Kinder konfessionsloser Elt ein religiöses Er-
ziehn n g rroch überhaupt nicht bestehe (S. 216), wohl 9 #rtn seine Ansicht, daß
§& 12 fl. don Religionsediktes von allen Personen, die Elt i Rechtssinne
sind, nicht blos von natürlichen Eltern rede, den Vorzug don ber entgegengesetten des
Verwaltungsgerichtshofes zu verdienen. Auch scheint mir die vom Verwaltungsgerichtshof aus-
Lesprochene Anschauung, daß auf Grund der Bestimmungen des Religionsediktes Abschn 1 Kap. 3
Sin staatlicher Zwang gegen Eltern geübt werden könne, damit fie ihre Kinder zum Empfang
der Sakramente der katholischen Kirche anhalten, Bedenken zu unterliegen, insbesondere nachdem
das Religionsedikt den Ausdruck Religionsunterricht als gleichbedeutend mit
W gebraucht (§s§ 20, 21). Vgl. auch E. Mayer S. 211 ff., Rein-