Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

8 11. Die Rechte der Unterthanen. 167 
Erziehung“") „ehelichen Kindern gleich geachtet.“ Die von dem Vater nicht anerkannten unehe- 
lichen Kinder ‚werden nach dem Glaubens-Bekenntnisse der Mutter erzogen" (58 20, 21). 
.Findlinge und natürliche Kinder, deren Mutter unbekannt ist, solgen der 
Religion desjenigen, welcher das Kind aufgenommen hat, soferne er einer der öffentlich 
eingeführten Kirchen lin Gegensatze also zu den sog. Privakkirchengesellschaften) angehört, oder 
der Religions-Parthey des Findlings- Instituts, worin sie erzogen werden. Außer diesen 
Fällen richtet sich ihre Religion nach jener der Mehrheit der Einwohner des Findungs-Orts- (9§ 22). 
Den „geistlichen Obern“, den „nächsten Verwandten“, den „Vormündern 
und Pathen“ ist ausdrücklich „das Recht“ zugesprochen, „darüber zu wachen"“, daß 
die Bestimmungen des Religionsediktes über religiöse Kindererziehung befolgt werden. 
„Sie können zu diesem Behufe die Einsicht der betreffenden Bestimmungen der 
Eheverträge und der übrigen auf die Religions-Erziehung sich beziehenden Urkunden 
sordern“ (Beil. II § 23). 
Von den als Folgerungen aus dem Grundsatze der Gewissensfreiheit soeben behan- 
delten Rechten haben zwei: das der ungestörten Hausandacht und das der reli- 
giösen Kindererziehung durch die neueste bayerische Gesetzgebung verwaltungs- 
gerichtlichen Schutz erhalten in der Weise, daß gegen jede „Beschränkung der ver- 
fassungsmäßig gewährleisteten Hausandacht“ durch Beschluß der Kreisregierung K. 
d. J. Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ergriffen werden kann (Ges. vom 8. Aug. 
1878 Art. 10 Ziff. 16), während alle bestrittenen Rechtsansprüche in Bezug auf 
religiöse Kindererziehung als Verwaltungsrechtssachen im Sinne des erwähnten 
Gesetzes erklärt und darum in dem für solche angeordneten Verfahren schon in erster 
Instanz zu behandeln sind, nämlich von der zuständigen Distriktsverwaltungsbehörde, 
gegen deren Entscheidung unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof Berufung ergriffen 
werden kann. (A. a. O. Art. 8 Ziff. 4, Art. 9 Abs. 1.)1) 
Die regelmäßige Zuständigkeit der Distriktsverwaltungsbehörden in unterer Instanz in 
allen nicht einem andern Organe des Staates zu unmittelbarem Vollzuge vorbehaltenen, der 
laatlichen. Verwaltung anheimfallenden „Religions= und Kirchenangelegenheigen ergibt aus 
der V.-O. vom 17. Dez. 1825 (sog. Formationsverordnung R. B. S. 9 fl.) § 31, 
Daß die in der V.-U. ausgesprochene Anerkennung des Grundsatzes der Gewissens- 
freiheit mit den einzelnen vom bayerischen Landesrechte anerkannten Folgerungen aus diesem 
Grundsatze auch für Ausländer gilt, daß diesen auch der den Inländern gewährte 
Schutz für das Recht der Hausandacht und der religiösen Kindererziehung zukommen 
muß, kann kann nicht zweifelhaft sein?). 
1) Der im Negierungsentwurfe zum Gesetz über den Verwaltungsgerichtshof enthaltene 
Vorschlag auch die „Wahl des Glaubensbekenntnisses“ unter die Verwaltungsrechtssachen 
aufzunehmen, sand in der K. ¾ A. ebensowenig die erforderliche Mehrheit, als der Antrag des 
Abg. Grafen Fugger: Zeligions und Gewissensfreiheit (8§ 1—4 des Religionsediktes)“ in den 
Art. 10 aufzunehmen. Doch gab dieser Antrag Veranlassung zu der im Texie mitgetheilten Be- 
stimmung in Art. 10 Ziff. 16 des Gesetzes. Vgl. E— Att 10 Ziff. 16 und Art. 8 Ziff. 4 des mehr- 
erwähnten Gesetzes die Commentare von Kahr S. 153 ff., 89 und Krais S. 138, 54, ferner 
. Mayer, d. Kirchenhoheitsrechte S. 1.19, 217 ff. Da nach Art. 8 Ziff. 4 des Ges. vom 8. Aug. 
1878 alle bestrittenen Rechtsan sprüche und Verbindlichkeiten in Bezug auf religiöse 
Nfüdererziehung als Verwaltungsrechtssachen zu betrachten sind, so können auch die in § 23 der 
II. Verfassungsbeilage genannten Personen das ihnen in dieser Gesepzesstelle eingeräumte Recht 
der Ueberwachung der religiösen Erziehung im Verwaltungsstreitverfahren geltend machen. 
achdem aber die Erklärung von Streitigkeiten über die Wahl des Glaubensbekenntnisses zu 
Verwaltungsrechtssachen, wie erwähnt, nicht rrolgt, ist, ist auch die Bestimmung in § 9 der II. T- · 
Beil. in Geltung peblieben die denjenigen, „welche die Religions-Erziehung zu leiten 
haben“, das Recht der Anfechtung einer den Feeplichen Hriordernisten nicht kusreen 
Wahl des Glaubensbekenntnisses durch 5Sr chwerde bei dem Ministerium d 
Innern für Kirchen= und Schulangelegenheiten gewährt, welches nach vorausgegangener re,nin eg 
des Falles durch die betreffende Regierungsbehörde (Kreisregierung K. d. J.) entscheidet. Dgl. 
E. Mayer S. 148 
2) Die allgemeine Fassung von Tit. IV., § 9, Abs. 1 der V.-U. und §§ 1, 2, 5 des Re-
	        
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