168 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. § 11.
Durch Staatsverträge, theils des Zollvereins, theils des Deutschen Reiches
mit auswärtigen Staaten ist den Angehörigen der letzteren zum Theile die „freie
Ausübung ihrer Religion nach Maßgabe der Landesgesetze“ ausdrücklich gesicher!
(Vertrag mit Spanien vom 12. Juli 1883, Art. 3 Abs. 2, mit der Südafrikanischen
Republik vom 22. Jan. 1885. Art. 1), großen Theils aber ausdrücklich „vollständige
(oder auch die vollständigste Kultus= und) Gewissensfreiheit“ gewährt ½.
V. Vereins- und Versammlungsrecht?). Die ausdrückliche gesetzliche Anerkennung
des Vereins= und Versammlungsrechtes der Staatsangehörigen ist in Bayern gleichwie
in der großen Mehrzahl der anderen deutschen Staaten verhältnißmäßig spät erfolgt.
Die den freien Vereinigungen der Unterthanen ungünstige Rechtsanschauung, welche seit dem
Ende des Mittelalters, namentlich unter dem Einflusse der römischrechtlichen Jurisprudenz in Deutsch-
land sowohl in der Reichsgesegebung als in der Gesetzgebung der Territorien und Städte Ein-
gang gefunden hattes), war auch in Bayern zu voller Herrschaft gelangt"). Hier war es vor
Allem die Gegenwirkung gegen den Illuminatenorden, welche am Ende des 18. Jahrhunderts
zur ausdrücklichen gesetzlichen Verneinung des Vereinigungorechtes der Unterthanen führte.
Nach dem Generalmandat vom 22. Juni 1784 sollen alle Johne öffentliche Autorität
und landesherrliche Bestätigung errichteten Communitäten, Gesellschaften und Verbrüde-
rungen“ in den kurfürstlichen Landen „nirgend geduldet“ werdens). So ziemlich die gleiche
Richtung Hielt. auch die Gesetzgebung unter Max Joseph I. innes). Weder die Constitution
von 1808 noch die VW.-U. von 1818 gedenken des Vereins= und Versammlungsrechtes der Staats-
angehbrigen. und auch nach der Erlassung der V.-U. hielt die staatliche Praxis an dem Grund-
satze fest, daß es kein freies Vereinigungsrecht der Unterthanen gebe. Kurze Zeit vor dem auch in
Bayern zur Geltung gekommenen Bundesbeschlusse vom 5. Juli 1832, welcher alle politischen Vereine
und alle ohne vorausgegangene Genehmigung der competenten Behörde zu haltenden außerordentlichen
G bisher hinsichtlich der Zeit und des Ortes weder üblichen noch gestatteten“) Volksversammlungen
und Volkofeste und alle öffentlichen Reden politischen Inhalts, auch bein. erlaubten Volksver-
sammlungen und Volksfesten untersagte'), war in Bayern die V.-O. vom 1. März 1832 erlassen
ligionsediktes, sowie die Ueberschrift von Abschn. 1 desselben: „Allgemeine Bestimmungen über
Religionsverhältnisse, kommen hier voriüglich in Betracht, vgl. auch E. Mader S. 145, bei und
in Anm. 1la, ferner Samml. d. Ent vntsch d. Verwaltungsge Pih V S. 181. Anders
die bei Lünthe Amtshandbuch f. d. protest. eistlichen. Bd. 29 5 mitgetheilten M.-E.
aus den Jahren 1843—1871, inhaltlich welcher die gichen u 1 S. II. Verfassungsbeilage auf
Ausländer überhaupt keine aenwendun finden sollen.
rag mit Salvad or vom 13. Juni 1870 Art. VII, mit dem König von Tonga vom
1. Nov. 1876 Art. III, mit der Regierung von Samoa vom 24. Jan. 1879 Art. III, mit der
Dominikanischen Republik vom 30. Januar 1885, Art. IX. Die angeführten Bestimmungen
zeigen, daß es sich hier um mehr handelt, als um die Gewährung „einfacher Hausandacht“, doch
wird ihre Anwendung gegenüber den thatsächlich bestehenden Zuständen in Bayern wohl nur von
geringer Bedeutung sein.
2) Ueber die Entwicklung und die heutige Gestaltung des Vereins- und Versammlungrechtes
überhaupt und in Deutschland k#sbesondere. vg Sevbde, in Schönberg's Handbuch d. polit.
Oekonomie 2. Aufl., Bd. III S. 761 ff., v. wey in diesem Handbuch 1 u. S. 136 ff.,
G. Meyer, Staaterch 2 Aufl., S. 674 fl. uns Verwaltunosrecht 1 S. 151 ff., endlich Löning,
Verwaltungorech S. 2
Vgl. biser * deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 S. 872 ff. III S. 769 ff.
4) Val. über die Geschichte des Associationsrechtes in Bae## die Einleitung von Pözl zu
seinem Ommentr zum ba Vereinsgesetze vom 26. Febr. 1850 in Dollmann's Gesehgebung,
Th. # ferner Bl. f. adm. Praxis, Bd. 7 S. 113 ff. (— s und dazu die Be-
merkungen eodd Ar#
5 Gebruck gertn bei Mayr, Sammlung der lhurpfalzbaier. allgem. u. bei- Danbesverorb-
nungen, Bd. II S. 2 und Döllinger, Bd. XIII S. 713, auch bei Pözl a S. 428 ff..
kuanger, s 1 !— unter Kurfürst Karl Theodor G c gegen geheime wwrw
insbesondere die Illuminaten, nrbangener V.-O., siehe bei Döllinger a. a.
Hewoeilu. cyer- Staatsrecht, 1 S. 157, Anm. 2. Ueber das Mandat vom 16. Aug. 178 vgl.
Pör
t uc#. Herfung auf den Reichsschluß vom 14. Juni 1793 gegen die geheimen Verbin-
dungen erlassene V.-O. vom 4. Nov. 1799 und die sie erneuernden Verordnungen aus ben. Jahre
1804 und vom 13. Sevt. |s sind zusammengestellt bei Döllinger, Bd. XIII S. 718 ff.,
vgl. hehu Pöh. a. a. O. S. 429 ff., wo die V.-O. vom 4. Nov. 1799 gleichfalls 1 ist, und
Seydel
7) * im Corp. jur. confoederationis Germanicae von v. Meyer und Zöpfl,
3. Aufl., Bd. II S. 250 ff.; auch bei Döllinger Bd. XIII S. 705 ff.