L Die Rechte der Unterthanen. 171
Das Gesetz stellt die Nichter füllung der von ihm den Vorstehern und Mitgliedern
von Vereinen, insbesondere von politischen Vereinen, auferlegten Verpflichtungen unter
Strafe (Art. 20, 22, 28 Abs. 1)1) und erklärt endlich die obrigkeitliche „Schließung"“
von Vereinen unter gewissen Voraussetzungen als zulässig. Eine solche Auslösung kann so-
wohl als dauernd wirksame wie als „vorläufige“ obrigkeitliche Handlung erscheinen.
Zu ihrer Vornahme in der einen wie in der andern Weise ist unter den für den
einzlnen Fall gesetzlich bestimmten Voraussetzungen entweder die Polizeibehörde oder
das Gericht zuständig.
„Jede Polizeistelle oder Behörde-) ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen zur dauernden
oder vorläufigen Schließung von Vereinen befugt. Als Voraussetzungen der Zulässigkeit dauernder
Schließung sind erklärt: das Zuwiderhandeln gegen die Verpflichtung zur Wahl von Vorstehern seitens
politischer Vereine und gegen die den Vorstehern solcher Vereine obliegende Verpflichtung zu
Anzeigen und Auskunftsertheilungen an die Distriktspolizeibehörde (Art. 14), Abhaltung ge-
heimer Versammlungen durch politische Vereine (Art. 16), Ausschließung der Abgeordneten der
Polizeibehörde von Pereinzperfammlungen (Art. 7) oder Uebertretung des Verbotes der Affi-
liation oder der Fassung von Beschlüssen in staatlich autoritativer Form (Art. 17 und 18); als
Voraussetzung der Zulässigkeit solcher definitiven Schließung erscheint es endlich: wenn Vereine
„die religiösen, sittlichen, gesellschaftlichen Grundlagen des Staates zu. untergraben drohen")
(Art. 19 Abs. 1 Ziff. 1— 5). Zur vorläufigen Schließung von Vereinen sind die Polizeibe-
hörden befugt, wenn „die Zwecke oder Beschlüsse“ jener den Strafgesetzen zuwider laufen (Art. 19,
Abs. 1, Ziff. 6). Die in solcher vorläufigen Weise angeordnete Schließung eines Vereins ist
binnen 8 Tagen dem zuständigen Grricht anzuzeigen, welches über die Fortdauer der
Schließung zu entscheiden hat (Art. 19 Abs.
Abgesehen hievon kann das zuständie Gericht die vorläufige Schließung anordnen,
„wenn wegen Uebertretung des Vereinsgesetzes oder wegen Verbrechen oder Vergehen,
welche aus Veraulassung der Verhandlungen eines Vereines verübt oder versucht worden sind,
die öffentliche Klage erhoben ist.“ In dem Endurtheile kann das zuständige Straf-
gericht die Schließung eines Vereins für immer aussprechen. (Art. 24 in der Fassung
von Artk. 254 des Ausf.-Ges. zur St.-P.-O. vom 18. Aug. 1879, Abs. 1, 2, 3.)
Die Schließung eines Vereins ist öffentlich bekannt zu machen“ (Art. 19. Abs. 2).
Mitglieber eines Vereins, welche sich nach obrigkeitlicher Einstellung oder Aufhebung
desselben wieder versammeln, sind nach den Bestimmungen des Art. 21 zu bestrafen. Die Ver-
änderung der Benennung des Vereines oder seines Sitzes soll hiegegen nicht schützen, wenn aus
den Umständen, hervorgeht, daß jene serinbiemne nur zum Scheine vorgenommen worden
seien.“ (Art. 24 in der erwähnten Fassung Abs. 4
Die Schließung eines Vereins für immer durch die Polizeibehörde
(auf Grund des Art. 19 Ziff. 1—5 des Vereinsges.) ist im bayerischen Rechte als
Verwaltungsrechtssache erklärt, über welche in letzter Instanz auf Berufung gegen
die Entscheidung der Kreisregierung K. d. J. der Verwaltungsgerichtshof zu erkennen
hat (Ges. vom 8. Aug. 1878, Art. 8 Ziff. 6, 9 Abs. 2)70.
Wesentlich modifizirt sind alle diese Bestimmungen des bayerischen Rechtes durch
das oft erwähnte Reichsgesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie,
soferne es das Verbot der Vereine, welche durch sozialdemokratische, sozialistische oder kom-
munistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats= oder Gesellschaftsordnung be-
zwecken oder in welchen solche Bestrebungen in einer den öffentlichen Frieden, insbesondere
die Eintracht der Bevölkerungsklassen gefährdenden Weise zu Tage treten, der zuständigen
Landespolizeibehörde (in Bayern Kreisregierung K. d. J. nach der M.-E. vom
1) Die im Texte erwähnten und die in Art 21 enthaltenen sralrectlichen Bestimmungen
des Vereinsgesetzes sind aufrecht erhalten durch Art. 3, Ziff. 9 usf.-Ges. zur R. o .
2) und zwar ohne Rücksicht auf ihre Stellung in der 4e kldeleel . özl S
3) Val. über die Entstehung, dieser letzteren, dem Regierungsentwurfe zum Gesetze Pechiten
Bestimmung Pözl a. a. O. S. 492 ff.
4) Vgl. hiezu die l- von Kahr S. 90 ff. und Krais S. 56 ff. Als Ver-
waltungercchssfache ist insbesondere durch Art. 8 Ziff. 9 des Ges. vom 8. Aug. 1876 auch erklärt
die Versagung der Zulassung einer eingeschriebenen Hilfskasse und die Schließung
einer 1 olchen nach § 4 Abs. 2 und § 29 des Reichsges. vom 7. April 115# 6 (abgeändert durch Ges.
vom 1. Juni 1884), vgl. hiezu Kahr S. 95, 128, Krais S. 65 ff. 1