8 11. Die Rechte der Unterthanen. 173
Die Versammlungen sind aber ferner nach bayerischem Recht allgemein dem
Aufsichtsrecht und dem unter gewissen Voraussetzungen geltend zu machenden Auf-
lösungsrecht der Polizeibehörde unterworfen.
Die Polizeibehörde' ist befugt, zu jeder?) Versammlung einen oder zwei Polizeibeamte
oder durch besondere Abzeichen erkennbare Abgeordnete zu senden. Die Abgeordneten der Polizei=
behörde haben die Versammlung für ausgelöst zu erklären, wenn in „dieser Vorträge gehalten,
Anträge oder Vorschläge erörtert werden, mittelst welcher zu Gesetzesverlehungen aufgefordert
oder aufgereizt wird“ und ihrem Verlangen, daß die Versammlung aufgehoben werde, seitens der
Ordner oder Leiter derselben nicht sofort entsprochen wird. Die Auflösung kann durch die be-
waffnete Macht zur Ausführung gebracht werden, wenn einer wiederholten Aussorderung, sich zu
entfernen, ven den bei der für aufgelöst erklärten Versammlung Anwesenden nicht Folge geleistet
wird (Art. 9)“).
Die noeiennn der eben erwähnten gesetzlichen Bestimmungen über Versamm-
lungen, insbesondere auch das Erscheinen mit Waffen in einer Versammlung oder das un-
befugte Vertheilen von Waffen in einer solchen ist unter Strafe gestellt (Art. 20, 21).
Diese landesrechtlichen Bestimmungen, über das Versammlungsrecht sind aber gleich-
falls durch das Sozialistengesetz in erheblicher Weise modifizirt worden, insoferne es die
Polizeibehörde verpflichtet, Versammlungen (oöffentliche Festlichkeiten und Aufzüge)
aufzulösen, falls in ihnen die von diesem Gesetze bekämpften Bestrebungen zu Tage
treten, oder sie zu verbieten, wenn durch Thatsachen die Annahme gerechtfertigt ist,
daß sie zur Förderung solcher Bestrebungen bestimmt sind (§§ 9, 10 mit den Straf-
bestimmungen in 88 17, 18) und die Zentralbehörden der Bundesstaaten ermäch-
tigt, für Bezirke oder Ortschaften, welche durch diese Bestrebungen mit Gefahr für die
öffentliche Sicherheit bedroht sind, mit Genehmigung des Bundesrathes auf die Dauer
von längstens einem Jahr anzuordnen, daß Versammlungen (mit Ausnahme solcher,
welche für eine ausgeschriebene Wahl zum Reichstag oder zur Landesvertretung gehalten
werden sollen), nuur mit vorgängiger Genehmigung der Polizeibehörde statt-
finden dürfen (§ 28 Abs. 1 Ziff. 1).
3. Auf eine bestimmte Anzahl von Thatbeständen sollen die bisher behandelten,
die Vereins= und Versammlungsfreiheit beschränkenden Bestimmungen des
bayerischen Vereinsgesetzes keine Anwendung finden. Es gilt dies (nach Art. 26
Abs. 1 des Vereinsges.) abgesehen von der selbstverständlichen Ausnahme der „durch
das Gesetz oder die gesetzlichen Autoritäten angeordneten Versammlungen“") von den
Vorberathungen von Mitgliedern dieser Versammlungen während der Dauer ihrer
Sitzungen und von den Wahlversammlungen der Wahlmänner und Urwähler
für den Landtag, die Kreis= oder Gemeindevertretungen nach erlassenem Wahlaus-
schreiben 7).
1) Außer der zunächst hiezu berufenen Distriltspoligeibehörde auch die dieser vorgeseßte
Behorde und auch die Ortspolizeibehörde. Pözl a. a. S. 463
2) Eine ausdrückliche Beschränkung der im Texte erwähnten Bestimmung auf Versammlungen,
in denen öffentliche Angelegenheiten erörkert werden, findet sich im bayerischen Gesetz jedenfalls nicht.
Die allgemeine Verpflichtung der Ordner und Leiter einer Versammlung, „für Aufrecht-
erhaltung der Ordnung und des Geseßzes zu sorgen“, und wenn ihren zu diesem Zwecke ergangenen
ne keine Folge geleistet wird, die Versammlung aufzuheben, spricht Art. 5 des Vereins-
gesetzes aus
4) Gemeint sind „die Versammlungen. der. —x–“ Körperschaften“ (Landes-, Kreis-,
Distrilte= Gemeindevertretungen) Pöz 506.
5) Art. 2—25 des Ges. solen? Lur se as Anwendung finden. Daß diese Fassung nicht
ganz genau ist, bemerkt Pözl a. a. O. S. 507. — Art. 26, Abs. 2 des Ges. hält für Vereine,
welche Kapital durch Actien aufzubringen, Kreditpapiere in Umlauf zu setzen beabsichtigen, An-
stalten für den öffentlichen Verkehr, für Sicherung des Vermögens, für Ersparung und Versorgung,
für Auswanderung, und Vereine, welche den Betrieb von Erwerbsgeschäften zum Zweck haben, die
e„hierüber bestehenden Geseße und Vorschriften“ aufrecht, insbesondere also diejenigen, welche die