Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

174 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. §5 11. 
In gleicher Weise werden in der Praxis auch die Reichstagswahlversammlungen behandelt, 
obwohl das Reichstagswahlgesenz (8 17 Abs. 2) die Bestimmungen der Landesgesetze über die 
Anzeige der Versammlungen und Vereine, sowie über die Ueberwachung derselben auch für die 
Vereine und Versammlungen zum Zwecke der Reichstagswahlen ausdrücklich aufrechthält). 
Andererseits sind die besonderen Beschränkungen des Versammlungs= und 
Vereinsrechtes, welche sich aus den Verhältnissen des Staats= und Militärdienstes 
und aus der Verfassung der öffentlichen Lehranstalten ergeben, hier ebenfalls noch 
in Betracht zu ziehen. 
Nach dem Vereinsgesetze haben bei dem stehenden Heere die Bestimmungen dieses 
Gesetzes nur insoweit zur Anwendung zu kommen, als denselben die militärischen Dienstesvor- 
schriften nicht entgegenstehen, und ausdrücklich wird „jedem selbständig Commandirenden“ „die 
sugniß zugesprochen, den Untergebenen die Theil nahme e an Vereinen und Versam mln 75 
zeitweise zu untersagen" (Art. ( Nunmehr kommen in diesem Zusammenhang abgesehen 
von dem allgemeinen in § 49 Abs. 2 des Reichsmilitärgesetzes vom 4. Mai 1874 enthaltenen 
erbote der Theilnahme an politischen Vereinen und Versammlungen für die dem 
aktiven Heere angehörigen Militärpersonen, insbesondere noch die Strafbestimmungen in 88 10 1 
und 113 des Militärstrafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 20. Juni 1872 gegen unbe- 
sugte Veranstaltung einer Versammlung von Personen des Soldatenstanden as Berathung 
über militärische Angelegenheiten oder Einrichtungen in Betracht. 
Ausdrücklich werden sodann auch im Vereinsgesetz Art. 28 die Disziplinar= 
vorschriften für öffentliche Lehranstalten, für Staatsbeamte und öffent- 
liche Diener als durch das Gesetz nicht berührt erklärt. Für die Verhältnisse der 
Leteren kommt hier vor Allem die V.-O. vom 15. März 1850 (R.-Bl. S. 241 ff.) in 
Betracht, inhaltlich deren ein jeder Staats= und öffentlicher Diener bei der Verpflichtung 
für den Staats= oder öffentlichen Dienst einen besonderen Eid zu leisten hat über seine Nicht- 
betheiligung an dem Staate nicht angezeigten, von der kompetenten Behörde aufgelösten oder 
an solchen Vereinen, an welchen ihm die Theilnahme nach den jeweils bestehenden 
Disziplinarvorschriften untersagt sein wird?), ferner die M.-E. vom 18. März 1850 
(Döllinger Bd. XXIX S. 343, Weber Bd. 4 S. 103), welche den mit der Beauf- 
sichtigung der politischen Vereine betrauten Beamten während ihrer Dienstesaktivität die 
Theilnahme an politischen Vereinen innerhalb ihres Amtsbezirkes untersagt)5. 
Ein allgemein wirksames Recht der Ausländer, sich zu versammeln und Vereine 
zu bilden, welches die Staatsregierung anzuerkennen hätte, kann in Bayern nach der 
bestimmten Fassung der hier in Betracht kommenden Artikel des Vereinsgesetzes (1 und 
11), welche nur den Staatsangehörigen (denen nunmehr auch in dieser Beziehung 
nach Art. 3 der Reichsverfassung die übrigen Reichsangehörigen gleichstehen) dieses Recht 
Entstehung solcher Vereine an obrigkeitliche Genehmigung binden, und macht den gleichen, an sich 
selbstverständlichen, Vorbehalt für alle „unter den Begriff von Pivilrechtlichen. oder Handelgesell 
schaften“" fallenden Vereine. Vgl. dazu Pözl S. 507 ff. und Bl. f. adm. Praxis 
S. 113 ff. (— s.) 
1) v. Pechmann-Stadelmann S. 329. 
2) Vgl. hieher insbesondere die Satzungen für die Studierenden an den baherishen Univer= 
sitäten vom 1. Okt. 1849 (Döllinger Bd. XXIV S. 121 ff., Weber Bd. 4 S. 48 ff.) 58 66—68 
und dazu Pözl S. 512 ff. 
3) Ueber die früher von den bayerischen Staats= und öffentlichen Dienern geforderten eid- 
lichen Reverse wegen Nichtbetheiligung an geheimen Verbindungen vgl. die Nachweise bei Seydel, 
Bayer. Staatsrecht I S. 157 Anm. 2 (s. g. Illuminateneid), ferner kommen hier in Betracht die 
oben S. 168, Anm. 6 erwähnten V.-O. von 1799, 1804 und 1814. 
4) Daß diese Vorschrift sich nicht auch auf die Mitglieder der Magistrate in den güöbeeren 
Städten (1. und 2. Klasse nach dem damaligen Geneindersch bezieht, grklrt die M.-E. vom 
3. April 1850 (Döllinger Bd. XXIX S. 343, Weber Bd. 4 S. 103 Ann 
5) Ueber die Gebührenfreiheit der in dem Vereinsgesetze caneoa Anzeigen bei den 
Polizeibehörden und der durch diese verursachten Erlasse vgl. Art. 29, Abs. 1 des Vereinsges., aufrecht 
erhalten durch Art. 3 Ziff. 3 des Gebührenges. vom 18. Aug. 1875 (oben S. 58).
	        
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