l 5. I. Das Verhältniß Bayerus zur Reichsgewallk. 27
Erfahrungen erscheint das Gesetz die Wehrverfassung betr. vom 30. Januar 1868
(a. a. O. S. 261 ff.), welches das in der preußischen Gesetzgebung wie dann in der
des norddentschen Bundes zur Geltung gekommene Prinzip der allgemeinen ohne
Zulassung der Stellvertretung persönlich zu erfüllenden Wehrpflicht auch für Bayern
ein= und durchführte.
Gleichzeitig traten auch die ersten Ergebnisse einer schon vor dem Kriege von 1866
vorbereiteten, sofort nach dem Abschlusse des Friedens wieder aufgenommenen, umfassenden
gesetzgeberischen Thätigkeit zu Tage, welche, als großentheils auf Regelung wesentlicher
Voraussetzungen und Folgen des Erwerb= und Verkehrslebens gerichtet, Sozialgesetz-
gebung genannt zu werden pflegt. Im Zusammenhange mit derselben sollte auch die
schon auf dem Landtage von 1849/50 versuchte, jedoch nicht zum Abschlusse gekommene
Neuordnung der Gemeindeverfassung im Sinne der Erweiterung der Selbständigkeit
der Gemeinden in's Werk gesetzt werden.
Dem Gesetze vom 30. Januar 1868 das Gewerbewesen betreffend
(G. B. 1866/69 S. 309 ff.), welches die Gewerbefreiheit zur Grundlage seiner Bestim-
mungen hat, folgte das Gesetz über Heimath, Verehelichung und Aufenthalt vom 16. April
1868 (a. a. O. S. 357 ff.). Vom 29. April 1869 datiren sodann das Gesetz über
öffentliche Armen= und Krankenpflege (a. a. O. S. 1093 ff.) und die beiden
Gemeindeordnungen, die für die Landestheile diesseits des Rheins (a. a. O.
S. 865 ff.) und die für die Pfalz (a. a. O. S. 1009 ff.). Die Absicht der Herbei-
führung der Rechtseinheit zwischen dem diesseitigen Bayern und der Pfalz auf den von
der neuen Gesetzgebung berührten Gebieten konnte nänmlich nicht vollständig durchgesetzt
werden, am wenigsten in der Gemeindeverfassung, wo die auf dem Boden des französischen
Rechts in der Pfalz erwachsenen Gewöhnungen von denen im diesseitigen Bayern zu
weit abwichen.
Noch ist hier der gleichzeitig mit dem nunmehr durch das allgemeine deutsche
der Hauptsache nach ersetzten Militärstrafgesetzbuch erlassenen Militärstrafgerichts-
ordnung (bceide gleichfalls vom 29. April 1869 datirend) zu gedenken, welche, jetzt
noch wesentlich in Kraft stehend, Gerichtsverfassung und Verfahren in militärischen
Strafsachen soweit als möglich den Institutionen der allgemeinen Strafrechtspflege
angenähert hat 0.
Bald nach Abschluß der großen gesetzgeberischen Arbeiten dieser Jahre geschah es,
daß Bayern auf Grund des gleichzeitig mit dem Berliner Frieden vom 22. August 1866
mit Preußen abgeschlossenen Schutz= und Trutzbündnisses in den Krieg gegen Frankreich
eintrat, als dessen wesentlichste Folge die Begründung des Deutschen Reiches
betrachtet werden muß, welche die neueste tief greifende Umgestaltung des bayerischen
Staatslebens herbeiführte.
#§* 5. Bayern als Glied des Deutschen Reiches. I. Das Verhältniß Bayerns
zur Reichsgewalt ). Der Beitritt Bayerns zu dem Deutschen Reiche erfolgte auf
Grund der meist zu Versailles abgeschlossenen Verträge zwischen dem norddeutschen Bunde
und den süddeutschen Staaten ), vor Allem des Versailler Vertrages vom 23. No-
vember zwischen dem norddeutschen Bunde und Bayern, den Beitritt Bayerns zur Ver-
fassung des deutschen Bundes betreffend, und des Schlußprotokolles zu diesem Vertrage
1) Die Militärstrafgesetzgebung des Jahres 1869 ist abgedruckt im 10. Bande von „Bayerns
Gesetze und Gesetzbücher“
) Vgl. Pözl, Verfassungsrecht, S S. 579 ff. VII. Buch: Bayerns Stellung im Reich.
5 u err die Vorgänge beie der Gründung des Reiches und ihre rechtliche Bedeutung vgl.
neuestens Laband in Bd. II, 1. 5 ff. dieses Handbuchs.