L Das Staatsgebiet. 35
Verbot der Veräußerung von Staatsgut zu beziehen ist, von dem eben hier im Interesse
einer angemessenen Gestaltung der Landesgrenzen eine Ausnahme gemacht wird. Die Feststellung
unficherer Grenzen, die gleichfalls und gewiß mit größerem Recht als Grenzberichtigung bezeichnet
wird, ist an und für sich von jenem Verbote nicht getroffen!), während die Lösung von
Condominatsverhältn issen allerdings insofern hierher #bört. als mit ihr der Ver-
zicht auf theilweise Zustänndigteit der staatlichen Hoheitsrechte in dem bis dahin gemeinsamen
Gebiete gegeben ist.
Für alle soeben erwähnten Arten von Modifikationen der Gebietsgrenzen Bayerns
finden sich n cen letzten: Jahrzehnten Beispiele. Abgesehen von dem Friedensvertrage mit Preußen
vom Jahre 1866 (oben S. 26) kommt eine nicht geringe Anzahl von Verträgen mit angrenzenden
Staaten in “. in welchen theils der Austausch von Gebiekstheilen, theils die Feststellung
streitiger Grenzen vereinbart wurde. Von besonderem Interesse ist sodann die Zosung der Condo-
minatsverhältnisse mit Böhmen im sog. Fraischbezirke bei Waldsassen
in den Jahren 1816 und 1847 und mit Kurhessen (Preußen) im Sinngrunde in
den Jahren 1860—18682).
ie Einführung der bayerischen Gesetzgebung in den seit der Erlassung der
Verfassungs-Urkunde erworbenen Gebietstheilen hat durchweg durch eigene mit Zustimmung des
Landtages ergangene Gesetze stattgesunden, abgesehen von der Jarfasig ungs-Urkunde und der sie
abändemden und ergänzenden Gesetze, deren Giltigkeit in den neu erworbenen Gebietstheilen als
lediglich durch die Erwerbung derselben bedingt angesehen wurde. Vgl. die Motive zu dem
Gesezentwurfe über die Einführung der bayerischen Gesetze in den 1847 von Böhmen - e#en
Gebietstheilen in den Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1848 Beil. B. II. 3ff.
und das Gesetz über die Einführung der bayerischen Gesetze in dem 1819 von Baden an Set
reich und von diesem an Bayern abgetretenen Amte Steinsen (vgl. den Frankfurter Territorial-
Receß von 1819 Art. II.) vom 1. Juni 1822 (G. B. S. 193 ff.) und die späteren mit diesem
Gesetze dem Inhalte nach zumeist wesentlich übereinstimmenden Gesetze über die Einführung der
bayerischen Gesetzgebung in neu erworbenen Landeslheilen vom 4. Juni 1848 (G. B 185 ff.),
29. Juni 1851 (G. B. S. 41 ff.), 10. November 1861 (G. B. S. 281 ff.), 5. 1863
(G. B. S. 9 ff., dazu die durch Art. 3 desselben vorbehaltenen Verordnungen über die Wirksam-
keit dieses die bayerischen Gesetze in dem ehemaligen baherisch. klurhessischen Gondomingtsbezirie
einsührenden Gesetzes vom 23. November 1863 R. B. S. 1819 ff. und 7. März 1868 R. B.
ff.), 16. Mai 1868 (G. B. S. 625 5½U und 18. *—**- 1871 (G. B. 1870/71 S. 345 ff.).
5½ zauh Pözl, Verfassungsrecht S. 53 ff.).
00 1) Vgl. H. A. Zachariä, Deutsches Staats= und Bundesrecht II. 3. Aufl. Göttingen 1867.
S. 60
2) Die nur zum Theile publizirten (s. Döllinger Forts., v. Strauß, B. XXI. IN. F. I.)
S. 1—34) Staatsverträge, um die es sich hier handelt, sind außer bei Pözl, Verfassungsrecht
S. 28 Anm. 2, 50 Anm. 5 angeführt bei v. Völderndorff, Civilgese stalst des Gnigreiche
Bayern S. 6 Anm. 1, 103 Anm. 3, 148 Anm. 9, 153 Anm. 1, 192 Anm. 56, 1 6 Anm. 73,
109 Anm. 82, 201 Anm. 85, 251 Anm. 38, 262 Anm. 64, i Anm. 65, 336 Anm. 80. (Dazu
ist auf den Vertrag mit Frankreich vom 5. Juli 1825 Marteus, recueil #lI. 1 ff. und
öllinger, 1. S. 298 ff. zu verweisen.) Ueber das Condominat im sog. Frais bbehirt, in
welchem die Ausübung der Kriminalgerichtsbarkeit über die gemischt 9hwohnenden Tnterthanen
jtbrlich alternirte, sind einige Notizen enthalten a. a. O. S. 251 Anm. 38; vgl. auch S. 103
Anm. 3, 1. Die auf die Lösung dieses Condominates gerichtete Vereinbarung war im Jahre
1846 soweit vollendet, daß die durch sie bedingten gegenseitigen Gebietsüberweisungen erfolgen
lomten, wie die Bekanntmachung des Ministeriums des Aeußeren vom 20. Juli 1846 im N. B.
S. 577 ff. beweist. Vollommen ## Ende gebracht wurde diese Vereinbarung aber erst im Jahre
1847. (S. Verhandl. der K. lbg. vom Jahre 1848, Beil. B. II. S. 262.) Der Vertrag zur
Lösung des Condominates mit dlde ist vom 18./22. Oltober 1860 datirt. Ende 1863 erfolgte
die Besitzergreifung der durch diesen Vertrag an Bayern gefallenen Theile des Condominatsbezirkes
(Verordnung vom 23. Nov. 1863, R. B. S. 1809 ff., als deren Anhang ein Theil des Vertrages
publizirt wurde), nachdem in diesem Jahre die kurhessische Ständeversammlung den Vertrag ge-
nehmigt hatte. Die vollständige Auseinandersetzung in finanzieller Beziehung erfolgte jebos erst
auf Grund von Art. 14 des Friedensvertrages mit Preußen vom 22. August 1866 und Ziff. 5
des Protokolls zu diesem Vertrage (G. B. 1866—69 S. 37), durch den zum Vollzuge des er-
wähnten Art. 14 zwischen Bayern und Preußen zu Stande gekommenen Receß de dato Frankfurt,
den 3. August 1867 und die im § 121 dieses Recesses vorbehaltene Ueberweisung der Eigenthums-
gegenstände und Gefälle (Verordnung vom 7. März 1868, ** B. S. 455 ff.). Vgl. über diese
Condominatsverhältnisse noch v. VBölderndorff a. a. O. 200 ff. Anm.
Ueber die Frage, ob Gebietstheile, die ein Ssrr Staat von außerdeutschen Staaten
erwerben würde, nothwendigerweise Bestandtheile des Reichsgebietes werden müssen und darum
unter allen Umständen ein verfassungsänderndes Reichsgefetz die nothwendige Voraussetzung
einer solchen Erwerbung ist, vgl. neuestens Laband in diesem Handbuche II. I. S. 27, wo sie
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