Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

38 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 8 6. 
Die Wahlkreise für die Wahlen zum deutschen Reichstage sind für das 
Gebiet des bayerischen Staates auf Grund des Versailler Vertrages vom 23. November 
1870, Ziffer III. § 2 durch die bayerische Regierung abgegrenzt worden (M. E. vom 
1. Februar 1871 R. B. S. 193 ff.) und nach deren Festsetzung sind sie seinerzeit in 
die vom Bundesrath beschlossenen, das Verzeichniß der süddeutschen Wahlkreise enthal- 
tenden Nachträge zu dem Wahlreglement vom 28. Mai 1870 für die Reichstags- 
wahlen aufgenommen und im Reichsgesetzblatte publizirt werden (Bekanntmachung vom 
27. Februar 1871 R. G. B. S. 55 ff.). Ihre Abänderung kann nach § 6 Abs. 4 des 
Wahlgesetzes für den deutschen Reichstag vom 31. Mai 1869 nur durch ein Reichs- 
gesetz erfolgen 0. 
Eine ständige Eintheilung des Landes für die Wahlen der Landtagsabgeordneten 
besteht nicht. Die Staatsregierung hat für jede Wahlperiode die Regierungsbezirke in 
Wahlkreise unter Einhaltung bestimmter gesetzlicher Vorschriften einzutheilen ?. 
Die Versuche, eine gesetzliche Feststellung dieser Wahlkreise herbeizuführen, 
welche einen Theil der (oben S. 32) erwähnten Bestrebungen zur Reform des Wahl- 
gesetzes vom 4. Juni 1848 bildeten, haben nicht zum Ziele geführt. 
III. Die Gebietshoheit. Durch den Beitritt Bayerns zum Reiche ist seine 
Gebietshoheit wesentlich modificirt worden. Soweit die Zuständigkeit des Reiches reicht, 
ist nunmehr auch eine Gebietshoheit des Reiches dem bayerischen Lande gegenüber 
begründet?). 
So hat insbesondere auch Bayern gegenüber die Bestimmung in Art. 41 Abs. 1 
der Reichsverfassung Geltung, wonach das Reich Eisenbahnen, welche im Interesse der 
Vertheidigung Deutschlands oder des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig erachtet 
werden, kraft eines Reichsgesetzes entweder für eigene Rechnung anlegen oder an Pri- 
vatunternehmer zur Ausführung konzessioniren kann, selbst gegen den Widerspruch der 
Bundesglieder, deren Gebiet solche Eisenbahnen durchschneiden, jedoch unbeschadet der, d. h. 
eben der durch das betreffende Gesetz nicht berührten, Landeshoheitsrechte. Dem Reiche 
steht auch Bayern gegenüber zum Zwecke der Anlage einer solchen Eisenbahn das Expro- 
priationsrecht zu, es kann dieses Recht selbst ausüben oder mit der Konzession an einen 
Privatunternehmer auf diesen übertragen"). 
Die Anlegung von Festungen auf bayerischem Gebiete dagegen steht der 
Reichsgewalt nur mit Zustimmung der bayerischen Regierung zu. Art. 65 der Reichs- 
verfassung, welcher dem Kaiser das Recht zuspricht, Festungen innerhalb des Bundes- 
gebietes anzulegen, findet auf Bayern keine Anwendung nach Art. III § 5 des Versailler 
Vertrages vom 23. November 1870, doch hat Bayern in diesem Vertrage versprochen, 
die Anlage von neuen Befestigungen auf bayerischem Gebiete im Interesse der gesammt- 
deutschen Vertheidigung im Wege jeweiliger spezieller Vereinbarung zuge- 
stehen zu wollen (Art. III. § 5 IV.). Daß in einem solchen Zugeständniß auch die 
Einräumung des Expropriationsrechts liegt, soweit seine Ausübung für den Zweck der in 
Frage stchenden Befestigung nothwendig ist, erscheint als selbstverständlich ). 
  
1) Vgl. hierz auch Laband, das Staatsrecht des Deutschen Reiches I. S. 533 ff. und in 
diesem Hob II. 
2) G f die Wahl der Landtags-Abgeordneten betr. nach der Redaktion vom 22. März 
. 2. 
1881 it 
i Labgnd, das Staatsrecht des Deutschen Reiches J. S. 185 ff., 193 ff. 
und in n Hdb. 1 S. 
4 I. noch 1½i 2en Staatsrecht des Deuschen. Reiches II. S. 360 ff. und in diesem 
Hdb. 1| 1 O lössP zl Berfassnngsrecht S. 56 b m. 10, 588. 
Vgl. bierzu. Kaband: das Staatsrecht des Sg Neiches 1. S. 196, III. 1. S. 73 
und in 2 Hdb. II. 1. S. 166, ferner Pözl, Verfassungsrecht. S. 56 bei Anm. 10.
	        
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