Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

87. Die Unterthanen. 45 
Für die Entscheidung über die Staatsangehörigkeit der nach den vereinigten Staaten von 
Amerika ausgewanderten Bayern und der in Bayern eingewanderten Angehörigen jenes Bundes- 
staates ist der zwischen Bayern und den Vereinigten Staaten abgelossene 
Vertrag vom 26. Mai 1868 mit dem ihm beigesügten Protokolle (R. 2153 ff.) maß- 
gebend, welcher mit dem Vertrage zwischen dem norddeutschen Bunde E den Vereinigten 
Staaten vom 22. Februar 1868 (vgl. Laband in diesem Handbuche II. 1. S. 35 Anm. (4 
wesentlich gleichlautend ist!) 
Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Erwerbung und Verlust der Bundes= und Staats- 
angehörigkeit und Entlassung aus dem Staatsverbande können nach bayerischem Rechte 
im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, eventuell vor dem Verwaltungsgerichtshofe geltend 
gemacht werden 2). 
Die bayerische Staatsangehörigkeit (das Indigenat) ist nach der Verfassung (Tit. IV. 
§* 1 u. Beil. I. 8 1) die Voraussetzung zum vollen Genuß aller bürger- 
lichen, öffentlichen und Privatrechte, und ebenso (Tit. IV. 82, Beil. I. 89) 
zur Erlangung von Kron= und obersten Hofämtern, von Anstellung im Civilstaatsdienste 
und der Verleihung von obersten Militärstellen und Kirchenämtern und Pfründen. 
Diese Bedentung der Staatsangehörigkeit ist seit dem Beitritt Bayerns zum Reiche ganz 
wesentlich vermindert worden, insbesondere durch die in weitem Umfange erfolgte recht- 
liche Gleichstellung aller Reichsangehörigen jedem Einzelstaate gegenüber und durch die 
Bestimmung des Gesetzes vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung der Staatsangehörigkeit 
für Ausländer oder Reichsangehörige durch ihre Aufnahme in den unmittelbaren oder 
mittelbaren Staatsdienst oder in den Kirchen-, Schul= oder Kommunaldienst (§ 9). 
Ebenso ist das bayerische Indigenat nach wie vor erforderlich zur Erwerbung und 
Ausübung des Staatsbürgerrechts im engeren Sinne (V. U. Tit. IV. 8 8. Beil. I. 8 7). 
Dazu kommen noch folgende Erfordernisse 3): nach unzweifelhafter allgemeiner Praxis 
männliches Geschlecht, und nach ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Vorschrift: 
gesetzliche (also nicht durch venia getatis erlangte)") Volljährigkeit und 
Ansässigkeit?) im Königreiche entweder durch den Besitz besteuerter Gründe, Renten 
oder Rechte oder durch Ausübung besteuerter Gewerbe oder durch den Eintritt in ein 
öffentliches Amt (V. U. Tit. IV. § 3 Beil. I. 5 Za, b), so daß also durch die 
Verleihung eines solchen Amtes an einen Nichtbayern, der deutscher Reichsangehöriger 
ist, mit der Staatsangehörigkeit zugleich das Staatsbürgerrecht erworben wird. Für 
„ Neuein wandernde wird außer diesen Erfordernissen auch der Ablauf von 
1) Ueber das Verhältniß von Nr. III. Ziff. 2 dieses Mrototolll zu Art, alll- der Vertrages 
3 ff., 
s. außer Martitz in Hirth's Annalen des Deutschen Reiches 1875 S. 1122 ff. und 
G. Meyer, Lehrb. des Vtsgen Staatsrechts S. 176 ff. Ann. 9, 13% 14 in den Blättern 
für administr. Praxis B. 401 ff., vgl. auch Gosen a. a. 7 9 S. 104 ff. 
2) Sie sind . Srt rechtosachen im Sime bes Een * *ir n. eines 
Verwaltungsgerichtshofes vom 8. August 1878 (Arl. 8 Ziff. 1). Auch das nach Art. 15 des Gesetzes 
vom 1. Juni 1870 begründete Recht auf Entlassung aus dem Staatsverbande kann in solcher 
Weise geltend gemacht werden. Ueber die verschiedenen möglicher Weis. hierher gehörigen Fälle 
vgl. den Kommentar zu dem Gesetze vom 8. August 1878 von Krais S. 47 ff. ferner v. Sarwey, 
das öffentl. Recht u. s. w. S. 460 ff. und G. Meyer, Lehrb. des deutschen Verwaltungsrechts I. 
* 43 S. 137 ff. bei Anm. 9, 12, 15, § 44 S. 11 1 Anm. 16. Nicht hierher gehört die rechtliche 
Anfechtung der Entziehung der Staatsangehörigkeit auf Grund des Reichsgesetzes vom 4. Mai 1874 
betr. die Verhinderung der unbesugten Ausübung von Kirchenämtern (Laband, B. II. I. dieses 
Hdb. S. 36) nach § 4 dieses Gesetzes. 
". 18 2 3) ½86. veer#n die orgfältigen Ausführungen in den Blättern für administr. Praxis 
4) Pözl, Verfassungsrecht S. 75 Anm. 8. 
5) D. h. „Wohnsitz und selbstständiger Haushalt“ (Bl. f. adm. Pr. a. a. O. S. 2). Die 
früher vielfach verhandelte Frage, ob zwischen dieser „Anfässigkeit“ und der „Ansässigmachung in 
einer Gemeinde“ im Sinne des Gesetzes über Anfässigmachung und Verehelichung vom 11. Sept. 
1825 (in veränderter Fassung vom 1. Juli 1834) ein Zusammenhang bestehe, ist mit dem Wegfallen 
der Ansässigkeit in der Gemeinde nach der neueren bayerischen Gesetzgebung gegenstandslos geworden. 
 
	        
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