88. Die Pflichten der Unterthanen. 51
Die Pflicht zum Eintritt in die Kommission von ortskundigen Vertrauens-
personen, denen nach Art. 26 des Einkommensteuer-Gesetzes in Städten von mehr als 10 000
Einwohnern die Gemeindebehörde die ihr gesetzlich aufgetragenen Vorbereitungshandlungen für die
Einsteuerung überweisen kann, ist dagegen nach dem Wortlaute des Gesetzes ebensowenig durch
die bayerische Staatsangehörigkeit oder die Reichsangehörigkeit bedingl, als die nach § 38 des
Grundsteuer-Gesetzes vom 15. ugunt 1828 (resp. 19. Mai 1881, in neuer Redaktion vom
10. Juni 1881, G. und V. B. S. 670 ff.) zu bemessende Pflicht der Annahme der Wahl zum
Taxator (zum Zwecke der und Klassifizirung der steuerpflichtigen Grundstücke) ).
Das Gleiche gilt von der Pflicht zur Annahme der Wahl. als Mitglied der in jedem
Regierungsbezirke bestehenden Handels= und Gewerbekammer und als Mitglied der für
Orte mit erheblichem gewerblichem Verkehre mit ministerieller Genehmigung zu bildenden sog.
Bezirksgremien (Handels-, Fabrik oder Gewerberäthe), nachdem das in der Verordnung vom
20. Dezember 1868 (R. B. S. 2553 ff. § 4 Abs. 2) zur Wählbarkeit aufgestellte Ersorderg des
bayerischen Staatsbürgerrechts durch Verordnung vom 17. November 1876 (G. und V. B. S. 855)
einfach beseitigt worden ist.
Die Pflicht, als ein „aus den Eingesessenen des Bezirkes“ gewähltes bür-
gerliches Mitglied in die für bestimmte Zwecke des militärischen Ersatzgeschäftes zu
bildende sog. verstärkte Ersatz= und verstärkte Oberersatzkommission
(Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 8 30) einzutreten, ist in der bayerischen Wehr-
ordnung (Th. I. 8 2) in selbstständiger Weise geregelt, ohne allerdings von Staats-
oder Reichsangehörigkeit abhängig gemacht zu sein 2).
Als allgemeine durch den Aufenthalt im Staatsgebiete und unter dem Schutze des
Staates bedingte Verpflichtung zu bestimmter persönlicher Dienstleistung erscheint endlich
auch die in § 360 Ziff. 10 des R. St. G. B. anerkannte und für den Fall der Nicht-
erfüllung unter Strafe gestellte Pflicht zur Hilfeleistung bei Unglücks-
sällen oder gemeiner Noth und Gefahr. Diese Verpflichtung ist für einen
besonderen Thatbestand in spezieller Weise geregelt durch das Gesetz vom 28. Mai
1852 über den Uferschutz und den Schutz gegen Ueberschwemmungen Art. 17. Darnach
sind, salls zur Abwendung drohender oder bereits eingetretener Wassergefahr augenblick-
liche Vorkehrungen nöthig sind, alle benachbarten „Besitzer“ und Gemeinden zu
Hand= und Spanndiensten verbunden, ohne Rücksicht darauf, ob sie innerhalb des vom
Wasser bedrohten Gebietes liegen oder nicht 5).
Die Verpflichtung zur Leistung von Gemeindediensten, zur Uebernahme von Gemeinde-
ämtern und zur Annahme der Wahl zur Distrikts= und Kreisvertretung, welche Pö3zl
(Verfassungsrecht S. 135) ebenfalls in diesem Zusammenhange aufführt, ericheint doch wesentlich
als eine Folge der persönlichen Verbindung mit der Gemeinde und ist jedenfalls überwiegend
der Gemeinde niederer oder höherer Ordnung gegenüber begründet.
kann, bis das betr. Mitglied seiner Verpflichtung nachkommt oder derselben thoben ist. (Ein-
kommensteuer-Ges. (rt 6 Abs. 1 In. 1 Abs. 3, Kapitalrentensteuer-Ges. Art. 33 Abs. 1, Gewerb-
steuer-Ges. Art. 64 Abs. Zifs. 1 Abs. 3.) Strafandrohungen wegen In#etter Fitnsel.
von Miehiietrt dun Uusschüsse und Kommissionen s. im Einkommensteuer-Ges. 69 Abs. 1
Ziff. 2 Abs. 2, Art. 71 , KapitalreiiteiisteiiersGef Art. 33 Abs. 1, nß ’ässs Arb. 64#
Abs. 1 Ziff. 2 Abf. 2,
1) Analog zu r ist wohl auch die Pflicht zur Annahme der Wahl zum Taxator
zur Einschätzung der Miethen, #um Zwege der Milegung der Haussteuer nach § 9 des Haus-
* vom 25. Ang. 1 resp. Mai. 1881 (in neuer Redaktion vom 10. Juni 1881
G. u. V. B. S. 698 ff., 7 3 J. vol 4. #Wt 1882, u. V. B. S.
2) Thatsächlich wird allerdings die Erfüllung dieser letzterwähnten Pflichten zumeist doch
nur Staatsangehörige treffen. Auch scheint die Berufung von Ausländern zu den zuletzt im
Texie genannten Funktionen der staatlichen Bedeutung dieser letzteren zu widersprechen.
3) Vgl. hierzu Pözl, die bayerischen Wessergesetz erläutert, 2. Aufl., Erlangen 1880
S. 408 ff. Vgl. auch die Strafbestimmung in Art. 26 Abs. 1 des Ges. und dazu das Ausf.-Ges.
zur R. St. P. O. Art. 3 Ziff. 10 4 und Art. 27 des Vollgeistrasgosetouch vom 26. Dez. 1871,
wo mit Geldstrafe bis zu 150 M. oder Haft bedroht wird, wer Personen, welche beie unglücks-
fällen, bei drohender oder bereits eingetretener Feuersgefahr oder anderer öffentlicher Gefahr oder
Noth Hilfe oder Dienst leisten, an solcher Hilfe= oder Dienstleistung vorsätzlich hindert oder ohne
hinreichenden Grund von solcher Hilfeleistung abhält.
4•-