62 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 89.
Gebührenpflichtigkeit zu entscheiden habe, gemacht ist, wird gn den Motiven zu dem Regierungs-
entwurse des Gebührengesetzes (Verhandlungen der K. d. 1879, Beil.-Bd. VII. 1. Abthlg.
S. 80) wesentlich mit dem rein steuerlichen Charakter djen Abgaben begrũndet!).
3. Weitere auf das Vermögen unmittelbar wirkende Pflichten der
Unterthanen. Die Expropriation. Unter den bisher nicht berührten Einwirkungen
der Staatsgewalt auf das Vermögen der Unterthanen, die sich zumeist unter dem Gesichts-
punkte der Beschränkung in der Benützung des Vermögens oder der zwangs-
weisen Entziehung von Vermögenstheilen darstellen, nimmt auch nach bayeri-
schen Rechte die Expropriation die hervorragendste Stelle ein. Die an sich nicht von
der Staatsangehörigkeit abhängige, unter den gesetzlichen Voraussetzungen auch
Ausländer treffende Pflicht zur Zwangsabtretung von Vermögensstücken war
schon in der Verordnung vom 14. August 1815 (die Abtretung eines Privateigenthums
für öffentliche Zwecke betr. R. B. S. 124 ff.) ausgesprochen worden. Diese Verord-
nung ist in der V. U. Tit. IV. 8 8 Abs. 4 ausdrücklich aufrecht erhalten in dem an
die Fassung des code civi! Art. 545 erinnernden Satze: „Niemand darf gezwungen
werden, sein Privat-Eigenthum selbst für öffentliche Zwecke abzutreten, als nach einer
sörmlichen Entscheidung des versammelten Staatsraths und nach vor-
gängiger Enschädigung, wie solches in der Verordnung vom 14. Angust 1815
bestimmt ist.“ Diese Verfassungsbestimmung hat dann aber eine wesentliche Abänderung
und Ergänzung erfahren durch das Gesetz vom 17. November 1837, die Zwangsab-
tretung von Grundeigenthum für öffentliche Zwecke betr. (G. B. S. 109 ff.), „welches
nach (Art. XXII.) als ein Grundgesetz des Reiches betrachtet werden, und eben
dieselbe Wirkung haben soll, als wären seine Bestimmungen in der Verfassungs-Urkunde
enthalten.“ Dieses Gesetz, welchem in der Entwicklung des Expropriationsrechts insoferne
eine bestimmte Bedeutung zukommt, als in ihm auf Veranlassung der Reichsrathslammer
zum ersten Male der Versuch gemacht wurde, das Prinzip der Spezialisirung der Enteig-
nungsfälle durchzuführen 5, setzt an die Stelle der Verordnung von 1815 sehr eingehende
Bestimmungen über die Voraussetzungen der Zwangsenteigung, die für dieselbe zu leistende
Entschädigung und das bei derselben zu beobachtende Verfahren?).
Das bayerische Expropriationsrecht hat auch nach der Erlassung des Gesetzes von 1837
eine nicht unwesentliche Weiterentwickelung ersahren. Zunächst wurden die Fälle der ganzen
oder theilweisen Anwendung dieses Gesetzes vermehrt in den drei sog. Wassergesetzen des
Jahres 1852 (oben S. 25), sowie in dem Berggeseß vom 20. März 1869 (G. Bl. S. 674 ff.,
dieses Gesetz enthält in Art. 124 ff. ausführliche Bestimmungen über die Grundabtretung für
den Betrieb des Bergbaues). Ganz wesentlich geändert aber wurden die Bestimmungen des Gesetzes
von 1837 über die Zuständigkeit der Behörden und das Verfahren bei der Zwangsenteignung
durch das Gesez über den Verwaltungsgerichtshof v. 8. Aug. 1878 und durch das Ausführungs-
gesetz zur R. C. P. O. und Konlurs-Ordn. vom 23. Febr. 1876 Art. 45 ff."). Endlich ist auch
1) Eine ganz singuläre Kompetenz des Verwaltungsgerichtshofes setzt Art. 153 Abs. 2 des
Geseses sest. Ueber die Zuständigkeit zur Entscheibung von Einwendunt en und Wibzwerden gegen
den ensat von Gebühren vgl. die Zusammenstellung bei Hock a. a. I. S. ff.
hierüber G. Meyer, das Recht der Expropriation. Leipzig ise8. S. 149 ff.
3) Ebenso wurde ldursch dieses Gesetz Art. XXII. für die Pfalz das dort geltende napoleonische
Gesetz vom 8. März 1810 (vgl. über dessen grundlegende Bedeutung für die neuere Entwickelung
des beron #r, kuänhl Meyer a. a. O. S. 198, Grünhut, das Enteignungsrecht, Wien 1873
S. 46 ff., Randa, die enteignung in Grünhut's Zeitschr. für das Privat= und öffentliche Recht
der Gegenwart X. S. 615 Anm. 3) aufgehoben unter Statuirung einzelner Besonderheiten für die
Anwendung des neuen **“ in der Pfalz. Andrerseits ist in Art. XXIII. der unveränderte Fort-
bestand der bisher im Staatsgebiete geltenden Rechtsnormen über Eigenthumsbeschränkungen im
Rayon von Festungen ausgesprochen und im Landtagsabschied vom 17. Nov. 183 C. der einer
Reihe weiterer spezieller Rechtsnormen vorausgesetzt. Dahin gehört namentlich g06 9 b. vom 3. Juli
1812 die Entschähihung der AUnterthanen für die zu Kiesgruben oder Steinbrüchen abgetretenen
Gründe betr. (R. S. 1353
4) Diese ichia Täsblloe sind an die Stelle von Art. 6 des Einführungsgesetzes zur
bayerischen Eivilprozeßordnung vom 29. April 1869 getreten.