Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

89. Die Pflichten der Unterthanen. 63 
das Reichsrecht für die Entwickelung des Expropriationsrechts von bestimmter Vedentung 
geworden!). 
Das Expropriationsgesetz vom 17. November 1837 5) bezieht sich ausdrücklich nur 
auf die zu erzwingende Abtretung von unbeweglichen Sachen. „Eigenthümer 
können angehalten werden, für öffentliche, nothwendige und gemeinnützige 
Zwecke vom unbeweglichen Eigenthume abzutreten oder mit einer Dienstbarkeit beschweren zu 
lassen, letzteres jedoch nur insoferne, als der Eigenthümer nicht vorzieht, auf Abtretung 
des zum Zwecke der Dienstbarkeit in Anspruch genommenen Theiles seines Grundeigen- 
thums zu bestehen“. (Art. I. Abs. 1). 
„Unkörperliche Rechte“ sind nur insoferne Gegenstand der Zwangsabtretung, als sie „dem 
für das Unternehmen (zu dessen Gunsten expropriirt werden soll) zu verwendenden Grundeigenthume 
ankleben“, so daß nutbare Rechte auf anderen unbeweglichen Sachen auf Verlangen des Eigen- 
thümers des herrschenden Grundstückes mit diesem zugleich gegen volle Entschädigung zu über- 
nehmen sind, nutzbare Rechte, „welche passiv auf dem Entwehrungsgegenstande ruhen, durch volle 
Entschädigung an ihre Besitzer abzulösen“ sind, „wenn diese darauf dringen oder die Ausübung 
jener Rechte mit der neuen Bestimmung des Gegenstandes nicht mehr vereinbarlich ist“ (Art. 11). 
„Bei Gegenständen, deren Theilung nachtheilig auf die Benützung des Gesammtgegenstandes 
sir kann nicht wider Willen des Eigenthümers auf theilweise Abtretung erkannt werden“ 
(Art. 1 
#G Le chenz. Fideicommiß= oder Stammgutseigenschaft steht der Zwangsabtretung nicht 
entgegen- (Art. 1 Abs. 2). 
Das Gesetz unterscheidet bestimmt zwischen der Zwangsabtretung, die in Fällen 
öffentlichen Nothstandes eintreten kann und derjenigen, welche für bestimmte, 
einzeln aufgezählte gemeinnützige Unternehmungen gefordert werden kann. 
In Fällen der ersteren Art, „nämlich bei Feuers= und Wassergefahr, Erdbeben 
und Erdfällen, sowie in Kriegs= und anderer dringender Noth“ kann „ohne vor- 
gängiges förmliches Verfahren und ohne Aufhalt “ die Zwangsabtretung 
von Grundeigenthum herbeigeführt werden, es muß jedoch jedenfalls nachträglich 
volle Entschädigung eintreten. (Art. I. Abs. 1 B. VII.) Die Abtretung kann 
in Fällen dieser Art nur von dem Staate selbst (von öffentlichen Stellen und Behörden 
Art. 1IV.) gefordert werden?. 
Daß in solchen Fällen öffen tlichen Nothstandes auch eine Enteignung von be- 
weglichen Sachen durch den Staat vorgenommen werden kann, ist mit Pözl. Verfassungorecht 
S. 111. sicher anzunehmen, schon aus Gründen des sog. Staatsnothrechts, wenn man sich hiefür 
auch nicht nicht mit Krais") auf das Expropriationsgesetz selbst berusen kann. 
Dieser allgemein vorgesehenen Befugniß des Staates zur Zwangsenteignung in 
Fällen öffentlichen Nothstandes gegenüber bestimmt das Gesetz eine Reihe von ein- 
zelnen Unternehmungen, um deren willen die Expropriation zulässig ist unter der 
Voraussetzung, daß das Unternehmen „vom gemeinen Nutzen erfordert wird und 
daß die Abtretung oder Belastung des angesprochenen Eigenthums zur zweckmäßigsten 
Verwirklichung desselben nothwendig ist“". In Fällen dieser Art soll die Enteignung 
nicht nur „von öffentlichen Stellen und Behörden“, in Anspruch genommen 
werden können, sondern auch „von Gemeinden und von denjenigen Gesellschaften und 
1) Vgl. oben S. 38 bei Anm. 3, 4. Einzelnes hierher Gehörige ist noch zu erwähnen. 
2) Erläuterungen zu demselben nach dem neueren Stande der Gesetzgebung gibt B. Hart- 
mann, das Gesetz über die Zwangsabtretung u. s. w. Mürzb. 1879. Ueber die Expropriation 
nach bayerischem Rechte vgl. auch noch Pözl, Verfassungsrecht S. 110 ff. und Roth, Voerisches 
Civilrecht Th. II. Tüb. 1872 S. 172 ff. und die Zusammenstellung bei Krais, Handb. I. S. 
3) In einigen im sog. Wassergesetz bestimmten Fällen (Ges. v. 28. Mai 1852, die ##t 
nützung des Wassers betr.), kann eine Zwangsenteignung sogar ohne alle Entschädigung vor- 
kommen, nämlich an dem Flußbett eines Privatflusses bei seiner durch die Staatsregierung 
oder mit ihrer Bewilligung vorgenommenen (vollständigen oder theilweisen) Umwandlung in einen 
öffentlichen (Art. 36) und an einer noch nicht regelmäßig in Kuliur gesetzen Auschütte (Allu- 
vion) in einem öffentlichen Flusse. (Art. 24.) Vgl. Roth a. a. 3 ff. 
4) Kommentar zum Ges. über den Verwaltungsgerichtshof 67.
	        
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