8 10. Die Rechte der Unterthanen. 77
Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit zu dem bayerischen Staate zukommen oder zukommen
können, oder deren unbeschränkte Ausübung wenigstens von der bayerischen Staatsange-
hörigkeit abhängig ist.
Wesentlich gleichbedeutend mit dem Ausdruck „politische Rechte“ muß auch die
Bezeichnung „staatsbürgerliche Rechte“ aufgefaßt werden, sofern nach dem Sprach-
gebrauch der Verfassungsurkunde (Beil. I. § 9 oben S. 39) unter Staatsbürger-
recht „der politische Stand eines Staatsbürgers“, die Fähigkeit zur Er-
werbung und Ausübung politischer Rechte zu verstehen ist 0.
In einem besonderen Sinne wird im bayerischen Verfassungsrecht auch von
„constitionellen Rechten“ gesprochen, um solche Rechte zu bezeichnen, welche durch
die Verfassungsurkunde oder anderweite als Bestandtheile derselben geltende Gesetze
anerkannt und mit dem Schutzmittel der Beschwerde bei dem Landtage ausge-
rüstet sind J.
II. Die politischen Rechte. Zu den politischen Rechten ) ist auch nach
bayerischem Staatsrecht vor Allem das sog. aktive Wahlrecht für die Abgeordneten-
kammer zu rechnen. Nach dem mit dem Ausdrucke „politische Rechte“ zu verbindenden
Begriffe muß aber auch das Recht, als Mitglied des Landtages in der Uebung der
Funktionen eines solchen anerkannt und geschützt zu werden ebensowohl hierher gehören,
als das Recht des Staatsbeamten, des Schöffen und des Geschworenen auf Aner-
kennung und Schutz in der Ausübung der mit ihrem Amt verbundenen staatlichen Funktionen.
Insofern sodann die Organe der Ortsgemeinden und die der Distrikts= und
Kreisgemeinden auch mit staatlichen Funktionen betraut sind, ist auch die Berech-
ligung als ein solches Organ oder als Mitglied eines solchen anerkannt und geschützt
zu sein, und das Wahlrecht für die Bestellung solcher Organe zu den politischen Rechten
zu rechnen 5.
Bal namentlich I. Verf.-Beil. § 8 c: „ezur Ausübung gewisser vorzüglicher slaatsbürger-
licher Rechte“. Ueber die allmähliche Verengerung des Begriffes des bayerischen Staatsbürgerrechts,
welches jetzt nur noch alc Voraussetung des Erwerbs und der Ausübung einzelner politischer
Rechte erscheint, „val. oben S. 40, 47 ff. In einem, der weitern Bedentung des Wortes Staats-
bürger (oben S S. 47) fon nen, jedenfalls aber die politischen Rechte und die politische Rechts-
fähigkeit in sich begreisenden Simaes scheinen die Anodrücke: staatsbürgerliche ne chte,
V. §9 in
Staatsbürgerrecht in V.-U. Tit lbs. 3 Beil. II. 88 11, 25 görauct sent
2) V.-U. Tit. VII. 8 41 Abs. 1 m giext dinh *#½ II. 3. 2 des Ges. über den
Geschäftsgang des Landtags vom 19. Jan. 1872 G.-B nlafft. In g gricheng“ Sinne erwähnt
der Eingang der B.U. Abs. 11 „,verfa in# n v echte“, ein Ausdruck, der auch
3
sonst wiederkehrt: so im Landtageabschied vom 13. Mai 1816 W S. 35). Agl. hiezu Pözl,
Verfassungsrecht S. 117 und im Allgemeinen v. Stengel a. a. S. 35.
3) Eine Auszählung der „politischen Rechte" m sich im heutigen Verfassungsrecht nicht,
wohl aber wird in dem Indigenatsedikt von 1812 eine Uebersicht über „die Rechte eines baierischen
Staatsbürgers“ gegeben. Art. XIV. „Nur derjenige Baier, welcher diesen sämmtlichen gesetzlichen
Bedingungen Genüge geleistet hat, kann auf die Rechte eines baierischen Staatsbürgers
Ansprüche machen, nämlich: a) zur Ausübung der öffentlichen Rechte in einer Gemeinde z. B.
Berathschlagungen über Gemeinde-Angelegenheiten, zu Verwaltungs-Stellen in den Gemeinden,
b) zur Theilnahme an den allgemeinen Kreis-Versammlungen, Kreis-Deputationen und der National-
Repräsentation; c) zur Fähigkeit für die Kreis-Deputationen und die National-Repräsentation
aut zu werden; d) zu Staats-Aemtern; e) zu Kron= und Hof-Aemtern; 1) zu geistlichen
ründen“.
4) Daß die Fähigkeit zur Erlangung von Staatsämtern an sich nicht als öffentliches
Recht zu bezeichnen ist, wird von Gerber S. 51 Anm. 5 und Laband Staatsrecht I. S. 156
gewiß mit Recht hervorgehoben. Wenn Tit. 1V. J 4 der V.-U. sagt: „Jeder Baier kann ohne
Unterschied zu allen Civil-, Militaire= und Kirchen-Aemtern oder Pfründen gelangen“, so liegt die
rechtliche Bedeutung dieses Satzes eben wesentlich in der Negation des rechtlichen Vorzugs ein-
zelner Bevölkerungsllassen für die Besetzung von Aemtern oder die Verleihung von Pfründen
(vgl. die Konstitution von 1808 Tit. I. § 5 „Ebensowenig wird ihm ldem Adell ein ausschließ-
liches Recht auf Staatsämter, Staatwürden, Staatspfründen zugestanden"). In keinem andern
Sinne ist es auch gemeint, wenn im Eingange der Verfassung Abs. 4 „Gleiches Recht der Einge-