Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

78 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 8 10. 
Auf die Bedeutung dieser politischen Rechte, soweit sie im Landesstaatsrecht in 
Betracht kommen, und die Voraussetzungen ihres Erwerbes ist im Einzelnen noch näher 
einzugehen. Hier ist nur noch zu bemerken, daß als eine nothwendige Voraus- 
setzung des Erwerbs dieser Rechte zumeist die bayerische Staatsangehörigkeit 
gelten muß ?. 
III. Die bürgerlichen Nechte. 1. Die bürgerlichen Privatrechte. Zu den 
bürgerlichen Rechten im Gegensatze zu den politischen sind nach dem Sprach- 
gebrauche der bayerischen Verfassungsurkunde jedenfalls die sog. bürgerlichen Pri- 
vatrechte zu rechnen (V.-U. Tit. IV. § 1 Beil. I. 88 1. 16. 19). Es sind darunter 
die Privatrechte (Civilrechte) zu verstehen, insoferne sie im positiven Recht begründet 
sind und ihre unbeschränkte Ausübung von der Staatsangehörigkeit abhängig ist, 
während der Umfang, innerhalb dessen ihre Ausübung durch Ausländer im bayerischen 
Staatsgebiete möglich ist, prinzipiell von der in ihrem Heimathstaate den bayerischen 
Staatsangehörigen gegenüber beobachteten Gegenseitigkeit bedingt ist. Nichtbayerische 
Angehörige des Deutschen Reiches stehen nunmehr nach Art. 3 der Reichsverfassung 
auch in dieser Hinsicht den bayerischen Staatsangehörigen gleich?). 
  
borenen zu allen Graden des Staatsdienstes“ als einer der Grundzüge der Verfassung bezeichnet 
wird, wie sich deutlich genug schon aus dem Beisatze: „und zu allen Bezeichnungen des Verdienstes“ 
ergibt. Ausdrücklich ist auch die Verleihung von Anwartschaften auf Aemter in Tit. III. 
§5 5 Abs. 4 der V.-U. verboten, auch kennt das bayerische Staatsrecht im Allgemeinen kein Recht 
auf Fortführung des Amtes. Daß andererseits die Stellung des mit staatlichen Funktionen im 
Interesse des Staats Betrauten mit Rücksicht auf die Uebung dieser JFunktionen nicht aus- 
schließl ich unler den Gesichtspunkt der Pflicht fällt. 4 doch wohl nicht zu bezweifeln, val. 
auch v. Stengel a. a. O. S. Z1. Daß das sog. passive Wahlrecht in dem Rechte des rechts- 
gültig Gewählten besteht, zur Ausübung der durch die Wohl übertragenen Funktionen zugelassen 
zu werden, hebt mit Rücksicht auf die Wahlen zu Organen der Kommunalverbände Löning, 
Lehrb. d. D. Verwaltungsr. S. 810, hervor, ebenso muß aber das sog. passive Wahlre cht 
für den Landtag auigefaßt werden. 
V#l. oben S. 47. Daß das Gemeindebürgerrecht, mit welchem nach Art. 170 der dies- 
rheinischen und Art. 100 der pfälzischen Gemeindeordnung das (aktive) Gemeindewahlrecht 
gegeben ist, für Nichtbayern erst mit der Erwerbung der Staatsangehörigkeit wirksam wird, ist 
dort schon bemerkt; daß die Reichsangehörigkeit allgemeine Voraussetzung der Berufung zu den 
Aemtern des Schöffen und des Geschwornen ist ohne Rücksicht auf die Angehörigkeit zu dem Ein- 
zelstaate, in welchem die Berufung erfolgen soll, bestimmt des R.-G.-V.-G. §§ 31, 84, vgl. oben 
S. 49. Durch das Reichsgesetz vom 1. Juni 1870 über den Erwerb und Verlust der Bundes. und 
Staatsangehörigkeit &# Abs. 1 sind die Bestimmungen in V.-U. Tit. 1V. & 4 und Beil. I. 
im Wesentlichen besenigt, soferne sie das Indigenat als nothwendige Vorauosetzung der dlinn 
von Civilstaatsdiensten, obersten Militärstellen und Kirchenämtern erklären. Vgl. 
Seydel, Bayer. Staatorecht Bd. 1. München 1884 S. 536 Anm. 4, wo auch auf die im Verhältnisse zur 
Ausländern forldauernde Anwendbarkeit jener Vorschriften hingewiesen wird, falls etwa eine 
nfteln nicht in der durch § 9 Abs. 1 des erwähnten Reichsgesetzes bestimmten Form einer 
u der Regierung oder von einer Central= oder höheren Verwaltungsbehörde eines Bundesstaates 
W oder bestätigten Bestallung erfolgt. 
eber den in Bezug auf den Genuß der bürgerlichen Privatrechte Fremden gegenüber 
geltende Grundsaßz der Reciprocität und zwar nicht blos der formellen, sondern auch der 
materiellen, kraft dessen eine allerdings nur auf dem Wege gesetzlicher Bestimmung geltend zu 
machende Retorsion möglich ist, wenn den bayerischen Staatsangehörigen in Bayern gewährte 
Rechte in einem andern Staate überhaupt nicht, (ohne Rechtsungleichheit gegenüber den bayerischen 
Staatsangehörigen) gewährt werden und über die zu Gunsten von Ausländern, welche mit Erlaub- 
niß des Königs in Bayern sich aufhalten, bestehende Ausnahme, val. I Verf.-Beil. 93§ 16—19 
(oben S. 42) und dazu Roth, Civilrecht I. 2. Aufl. 1881 S. 199 ff. und Seydel, bayer. 
Staatsrecht 1. S. 617 ff. § 19 der I. Verf.-Beilage, welcher die erwähnte Ausnahme enthält, ist 
übrigens offenbar dem Art. 13 des code eiril nachgebildet, und so scheint auch der Ausdruck, 
„bürgerliche Privatrechte“ der Bezeichnung droits civils des code zu entfprechen. Es mag dahin- 
estellt bleiben, ob bei der Wahl dieses Ausdruckes der Gegensatz von „natkürlichen Privatrechten“, 
droits naturels vorgeschwebt habe, (wie dies für das französische Recht von einer weit verbreiteten, 
wenn auch keineswegs allein herrschenden Meinung angenommen wird; ogl. hierüber Zacharige, 
französ. Civilrecht 6. Aufl. herausg. von Puchelt I. S. 208 mit Anm. 7 und neuerdings die 
Dissertation von Bracaloff, de la condition bl strangers en droit romain et en droit
	        
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