80 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. &§ 10.
Bestimmungen, namentlich der Reichscivilprozeß- und Konkursordnung unzweifelhaft.
Allein auch für Ausländer ist diese Gleichstellung in weitem Umfang in sicherer
Praxis anerkannt, wie denn auch die hier in Betracht kommenden Rechtsvorschriften
eine Unterscheidung zwischen Inländern und Ausländern zumeist nicht zulässig erscheinen
lassen 7.
3. Die Freiheitsrechte insbesondere.
Nach dem Vorgangeder Konstitution von 1808 Tit. I. 8 7) setzt auch die V.-U. von 1818
sog. Freiheitsrechte fest (Tit. IV. 88 8, 9 Abs. 1. 11, 14, Beil. II. & 1 ff. Beil. III.) in
beschränkter Zahl allerdings im Vergleiche mit den Verfassungsurkunden, welche wie die
preußische nach dem Jahre 1848 entstanden, dem Vorbild der von dem Frankfurter
Parlamente aufgestellten „Grundrechte“ in mehr oder minder umfassender Weise gefolgt sind ?).
Durch eine Reihe einzelner, namentlich im Anschlusse an die Bewegung des Jahres 1848
ergangener Landesgesetze sind die Freiheitsrechte theils in ihrer Bedeutung gesteigert,
(Gesetz über die Freiheit der Presse und des Buchhandels vom 4. Juni 1848 oben
S. 23), theils ihrer Zahl nach vermehrt worden. (Vereinsges. vom 26. Febr. 1850,
Gewerbeges. vom 30. Jan. 1868 oben S. 27.) Von wesentlichstem Einflusse auf das
in Bayern geltende Staatsrecht ist dann auch in dieser Beziehung die Reichsgesetz-
gebung geworden, indem in einer nicht geringen Anzahl von Gesetzen die Anerken-
nung solcher Freiheitsrechte ausgesprochen, zugleich aber durch diese und andere Gesebe
des Reiches das bisher in Bayern in dieser Hinsicht geltende Recht in einer zum Theil
sehr erheblichen Weise materiell geändert, in gewissen Umfange auch in seiner formellen
Geltung aufgehoben worden ist.
Hier ist insbesondere auch des Reichsgesetzes vom 21. Oktober 1878 gegen die geein
gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie (in der anfänglich nur vis zum 31. März 188
erstreckten Dauer seiner Gellung durch das erläuternde Gesetz vom . Mai 1880 1 zum
30. September 1884 und durch Gesetz vom 28 Mai 1884 bis zum Aal September 1886 ver-
längert), sofern dieses tief einschneidende Beschränkungen gewisser Freiheitsrechte, des Vereins-
und Versammlungsrechts, der Preßfreiheit, der Gewerbefreiheit, der Freizügigkeit, theils gebietet,
theils als zulässig erklärt.
1) Dies gilt namentlich von dem Anspruch auf Schutz im Inlande. Daß man sich
für die wesentliche Gleichstellung von Ausländern und Inländern in dieser Beziehung auch auf
die allgemeine Bestimmung in Tit. IV. § 8 Abs. 1 der V.-U. (oben S. 79) berufen kann, scheint
mir mit Rücksicht auf die Fassung der folgenden Absätze dieses Paragraphen: ziiemand darf
i. s. w.“ doch angenommen werden zu müssen. Mit Nücssicht auf diese Stelle und auf Tit. IV. 8 9
Nol. 1 und Beil. II. §§ 1, 2 möchte ich die oben S. 44 Anm. 2 ausgesprochene Fierit. 11. daß
nach dem Sprachgebrauch der bayerischen V.-U. Einwohner gleichbedentend sei mit Staats-
angehöriger, dahin modificiren, daß Hie Sprachgebrauch jedensalls kein streng festgehaltener
ist, wenn er auch z. B. für Tit. IV. §5 13 (vgl. Tit. gul, 8 4 Abs. 2) anzuerkennen sein möchte.
Vgl. aber hiezu die Vorschriften der R.-C.-P.-O. §§ 102, 103 106 (dazu Konk.= Ordn. § 65,
R.-St.-P.-O. § 419), welche eine große Erschwerung 5 Rechtsverfolgung für den Ausländer ent-
haluen, indem sie ihm die Pflicht auferlegen, als Kläger wegen der Proce#ßkosten. Sicherheit
zu leisten, (allerdings nicht ausnahmslos, namentlich dann nicht, wenn in seinem Heimathstaate
eine gleiche Verpflichtung für Deutsche nicht besteht), und ihm auf das Armenrecht nur unter
der Voraussetzung, daß die Gegenseitigkeit verbürgt ist, Anspruch gewähren, und Konk-Ordn. § 4,
welcher die Gleichstellung ausländischer Glänbiger mit den inländischen ausdrücklich ausspricht, aber
dem Reichslanzler vorbehält, unter Zustimmung des Bundesrathes gegen den Angehörigen eines
ausländischen Staates ein Vergeltungsrecht zur Anwendung zu bringen. Hierher gehören auch
die Bestimmungen des Gerichtskostengeiehes und des bayerischen Gebührengesetzes über die Gebühren-
pflicht der Ausländer (oben S. 59). Darüber daß ein gesichertes Wohnrecht im Staats-
gebiete, sofern von einem solchen in diesem Zusammenhange überhaupt zu reden ist, für Ans-
länder nicht besteht, vgl. oben S. 42 ff. Ebensowenig lann natürlich von einem Anspruch
der Augländer auf Schutz im Auslande an und für sich die Rede sein.
2) Vgl. Tit. II. Art. 3 ff. der preuß. V.-U. und dazu Schulze in diesem Handb. II. 11.
S. 36 ff. un 8 über die ganze im Texte angedentete Entwickelung Zöpfl, Grundsätze des gemeinen
deutschen Staatsrechts Th. II. 5. Aufl. 1863 S. 13 ff.