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Markgrafen Luit pold, dem Stammvater unseres Königshauses, geführt,
schlug sie wohl zweimal zurück, allein Bajuarien konnte schließlich keinen
Widerstand mehr leisten. Im Jahre 911 wurden alle Streitkräfte
des Reiches aufgeboten; aber sie konnten den furchtbaren Verwüstungen
der räuberischen Horden nicht Einhalt thun. Tausende wurden getötet,
oder in die Sklaverei geschleppt, und besonders über Bajuarien hatten
die Räuberhorden durch Feuer und Schwert namenloses Elend gebracht.
Ludwig d. K. starb, erst 18 Jahre alt, aus Kummer über das Unglück
seines Reiches, und Deutschland ward jetzt ein Wahlreich.
Die durch Karl d. Gr. abgeschaffte Herzogswürde war bei ein-
zelnen Volksstämmen wieder aufgekommen und hatte das königliche
Ansehen geschwächt; es war eine Vielherrschaft in Deutschland
eingerissen. Der Bedrängte suchte nicht immer Schutz und Hilfe beim
König, sondern verteidigte sich oft auf eigene Faust, mit eigener Ge-
walt. So bekam bald der Starke mehr Recht als der Schwache; jene
Zeit aber, in der Gewalt vor Recht ging, heißt man die Zeit des
Faustrechts. Die vielen Kriege und das Unwesen des Faustrechts
veranlaßten den gemeinen Mann, bei Mächtigeren Schutz zu suchen
und diesen dienstpflichtig zu werden. So geriet der freie Bauernstand
Deutschlands nach und nach ins Vasallentum. In dem Glauben,
daß Gott den Schuldigen nie beschütze, wandte man bei Gericht zur
Erforschung der Wahrheit Gottesurteile an. So mußte beispiels-
weise der Beklagte zwischen zwei brennenden Holzstößen hindurch-
gehen und galt für unschuldig, wenn er unversehrt blieb. Kreuz-
probe, Wasserprobe und Zweikampf wurden auch als Gottesurteile
angewendet.
4.
Mit Ludwig d. K. war der karolingische Mannesstamm erloschen,
und Bajuarien erhielt nun wieder eigene Herzoge Der erste derselben
war Arnulf, der thatkräftige Sohn des Markgrafen Luitpold, der im
Kampfe gegen die Ungarn gefallen war. Bald erschienen Gesandte
der Ungarn bei Arnulf und verlangten Tribut, wie ihn Ludwig d. K.
bewilligt hatte. Als sie abgewiesen wurden, kamen sie mit großer
Heeresmacht; aber Arnulf schlug sie am Inn, daß nur wenige am
Leben blieben (912). Nach langem Streit leistete Arnulf dem deutschen
Könige Heinrich I., dem Begründer der Städte und des Rittertums,
den Huldigungseid und wurde dafür mit Hoheitsrechten belehnt, die
kein anderer deutscher Herzog besaß (Bischofsernennung, Münzrecht,
Landtagsberufung 2c.).
Sein ältester Sohn und Nachfolger Eberhard weigerte sich,
vor König Otto I. zur Huldigung zu erscheinen; er wurde deshalb-
aus Bayern vertrieben und Berthold, der Bruder Arnulfs, als Herzog.
eingesetzt. Eberhards Bruder, Arnulf den Jüngeren, ernannte
Otto I. zum Pfalzgrafen in Bayern und übertrug ihm damit das