VIII. Die Zeit der Fremdherrichaft. 89
kaufen, so lief stets ein ganzer Schwarm hinter ihr her und rief:
„Mir auch was, mir auch was, Frau Königin!“ Friedrich Wilhelm
und Luise hatten auch eigene Kinder; die beiden ältesten hießen
Friedrich und Wilhelm. Friedrich wurde nach seines Vaters Tode unter
dem Namen Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen, während
Wilhelm der erste Kaiser im wieder geeinten Deutschland ward.
2. Im Jahre 1806 fing Napoleon auch Krieg mit Preußen an. Die
Preußen hcttten noch die herrlichen Waffenthaten Friedrichs des Großen
im Gedächtnisse und zogen deshalb mit frohem Mute in den Kampf,
aber sie wurden bei Jena und Auerstädt geschlagen, mußten fliehen
und verloren fast alle Festungen; denn Napxoleon hatte eine neue
Kriegskunft eingeführt, die den Preußen bisher unbekannt geblieben
war. Er brachte den Kampf in weit geöffneten Schützenketten in
Anwendung. So brauchte er weniger Mannschaften und hatte nicht
so viele Verluste. Am östlichen Ende des Reiches als Sieger ange-
kommen, war Napoleon bereit, Friede mit Friedrich Wilhelm zu
schließen. Zu Tilsit geschah's im Jahre 1807. Napoleon nahm alles
Land zwischen Elbe und Rhein, machte aus diesem und aus Teilen
von Hannover, Hessen und Braunschweig das Königreich Westfalen
und ernannte seinen Bruder zum Könige desselben: Kassel wurde die
Hauptstadt dieses neuen Landes. Auch die in der zweiten und dritten
Teilung Volens erworbenen Länder wurden Preußen entrissen und von
Napoleon dem Kurfürsten von Sachsen als Herzogtum Warschau ver-
liehen. Preußen mußte über 140 Millionen Franks Kriegskosten be-
zahlen und seine Festungen in den Händen französischer Soldaten lassen.
3. Nach der Schlacht bei Jena und Auerstädt kamen schlimme
Jahre für die königliche Familie. Luise hatte den König begleitet
und ihn erst am Tage vor der Schlacht verlassen. Auf der Rückreife
nach Berlin erhielt sie die Nachricht von der Niederlage der preußi-
schen Armee; sie mußte in aller Eile mit den Kindern fliehen. In
Küstrin kam der König wieder mit seiner Familie zusammen und be-
gleitete sie bis Königsberg. Auf die Nachricht, die Franzosen kämen,
verließen sie die Stadt und flohen in einer bitterkalten Jannarnacht
nach Memel. Die Königin lag gerade am Typhus fkrank, aber sie
ließ sich doch in den Wagen tragen, weil sie lieber in Gottes als in
Napoleons Hände fallen wollte. Erst im Winter 1809 kehrte die
königliche Familie nach Verlin zurück. Mit herzlicher Freude wurde
sie empfangen; aber die Konigin blieb krank und ftarb im Sommer des
nächsten Jahres. Mit dem Könige und seinen Söhnen trauerte das
ganze Volk um die Königin, die der Schmerz ums Vaterland so früh
dahingerafft hatte.
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90. Preußens Wiedergeburt.
1. König Friedrich Wilhelm III. beschloß gleich nach dem Tilsiter
Frieden, das Hrerwesen nen einzurichten und befahl: „Künftig soll
die Armee fast gänzlich aus Einländern bestehen, die Unteroffiziere und