94 IX. Die Zeit des Ningens nach Einheit und Freiheit.
.
sich selbst nicht entschuldigen; ja sogar Jungfrauen drängten sich in
Männerkleidung zu den Waffen; alle wollten sich üben, rüsten und
für das Vaterland streiten oder sterben. Jede Stadt, jeder Flecken,
jedes Dorf schallte von Kriegslust und Kriegsmusik und war in einen
Ubungs= und Waffenplatz verwandelt. Alle Unterschiede von Ständen
und Klassen, von Altern und Stufen waren vergessen und aufgehoben;
jeder demütigte sich und war bereit zu dem Geschäfte und i’ zu
dem er der brauchbarfte war; es war, als fühle auch der Kleinste,
daß er ein Spiegel der Sittlichkeit, Bescheidenheit und Rechtlichkeit
sein müsse, wenn er den Ubermut, die Unzucht und Prahlerei befiegen
wollte, die er an den Franzosen so sehr verabscheut hatte. Was die
Männer so unmittelbar unter den Waffen und für die Waffen thaten,
das thaten die Frauen durch stille Gebete, brünstige Ermahnungen,
fromme Arbeiten, menschliche Sorgen und Mühe für die Ausziehenden,
Kranken und Verwundeten.“
— — —„,.
93. Die Schlacht bei Leipzig und die Siege
in Frankreich.
1. Die Verbündeten standen in drei gewaltigen Heerhaufen Na-
poleon gegenüber: Die Hauptarmee in Böhmen unter dem Befehle
des östreichischen Feldmarschalls Schwarzenberg, die schlesische Armee
am Riesengebirge unter dem Befehle des preußischen Feldmarschalls
Blücher, die Nordarmee unter dem Befehle des Kronprinzen von
Schweden mitten in der Provinz Brandenburg. Nach vielen
blutigen und gewaltigen Schlachten, von denen besonders die an der
Katzbach berühmt geworden ist, zogen sich die Heere der Verbün-
deten in der Gegend von Leipzig zusammen. Napoleon hatte Dresden
verlassen und war gegen die Mulde und Pleiße hinabgezogen. Am
16. Oktober begann die Schlacht. Im Süden von Leipzig ward un-
entschieden gekämpft; im Norden trieb Blücher drei französische Heeres-
abteilungen bis in die Vorstädte von Leipzig zurück. Der 18. Oktober
war der blutigste und entscheidendste Tag. Eine halbe Million be-
waffneter Männer stand auf der Ebene von Leipzig im erbitterten
Streite einander gegenüber, und mehr als 1500 Kanonen verbreiteten
ringoumher Schrecken und Tod. Napoleons Heer wurde in die Flucht
geschlagen. Am folgenden Tage nahmen die Verbündeten die Stadt
eipzig mit Sturm.
2. Napoleon konnte nun nicht mehr daran denken, sich in Deutsch-
land zu behaupten. Mit den Trümmern seines Heeres eilte er über
den Rhein nach Frankreich zurück. Der Rheinbund löste sich auf, die
deutschen Fürsten, welche ihm angehört hatten, darunter auch Bayern,
schlofsen sich den Verbündeten an und drungen mit diesen in Frank-
reich ein. Hier gab es noch manchen hartnäckigen Kampf; aber der
kühne Blücher drüngte unermüdlich vorwärte; bereits am 31. März