IX. Die Zeit des Ringens nach Einheit und Freiheit. 103
der Landstraßenbau gleichen Schritt gehalten, so daß unser Land
jetzt mit Eisenbahnen und Landstraßen wie mit einem Spinngewebe
überzogen ist und jeder Ort bequem erreicht werden kann.
2. Weite Wegstrecken, die sonst mühsam und mit Gefahr zurück-
gelegt wurden, werden heute schuell und bequem mit der Eisenbahn
besohren, und das Reisen kostet weniger Geld als früher. Die Eisen-
bahn schafft jedes brauchbare Ding schnell an seinen Ort und
läßt es zu seinem Werte kommen. Ubergroße Teuerung oder
gar Hungersnot, wie sonst, können darum jetzt nur schwer entstehen.
Die Eisenbahn ist daher der Menschheit zum großen Segen geworden.
Auch für die Einigung des deutschen Volkes war die Eisenbahn von
Bedentung. Durch den regen Verkehr rückten sich die Bewohner
näher, lernten sich besser kennen und wünschten immer lebhafter, wieder
ein Volk zu sein, wie es vor alters gewesen war.
3. Das bequeme und billige Reisen verlockt aber auch manche,
der Heimat leichtsinnig den Rücken zu kehren und in der Fremde
ihr Glück zu suchen. Dazu finden die Erzeugnisse fremder Länder
leichtern Zutritt in unsere Gauen und machen unser Volk in deln
Maße von der Fremde abhängig, als sie seine Bedürfnisse mehren und
die Bodenbestellung verändern. So mindert z. B. die große Einfuhr
von fremdem Getreide den Körnerbau, die Einfuhr der Baumwolle
den Flachsbau, während andrerfeits der Rübenbau und die Fabriken
vermehrt werden.
4. Wie die Eisenbahnen auf dem Lande, so besorgen jetzt Dampf-
schiffe den Verkehr auf den Flüssen und Meeren. Zu gleicher Zeit
sind auch die Telegraphen entstanden, die mit Blitzesschnelle eine Nach-
richt von einem Ende der Erde zum andern gelangen lassen und den
Verkehr noch schneller und bequemer gestalten. Telephone gestatten
selost mündliche Unterredungen zwischen Personen an verschiedenen
Orten.
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104. Die Abläsungen.
Durch die Aufhebung der Leibeigenschaft waren nicht auch die
Rechte der Grundherren und die Pflichten der Grundholden aufgehoben,
sondern diese mußten erft ordnungsmäßig abgelöst werden. Durch
Gesetze, die hier früher, dort später in Kraft traten, wurde diese Ab-
lösung in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts bewirkt.
Diese Gesetze bestimmen gewöhnlich, daß der Bauer ferner von allen
Abgaben und Dienstleistungen an fseinen ehemaligen Grundherrn frei
sein soll, wenn er den fünfundzwanzigfachen Betrag des jährlichen
Werks derselben auf einmal in Geld bezahlt. Später bestimmten neue
Gesetze, daß ein noch geringerer Betrag zu zahlen sei. Niemand
wurde gezwungen, von dieser Wohlthat Gebrauch zu machen, aber
jeder ergriff gern die Gelsgenheit, Lasten los zu werden, die er längst
ungern getragen hatte. Durch Einrichtung von Kreditanstalten und