IX. Die Zeit des Ningens nach Einheit und Freiheit. 111
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112. Aulaß und Vorbereitung zum Kriege gegen
Frankreich.
1870.
1. Die Erfolge Preußens ließen den Franzosen keine Ruhe.
Ein neuer Krieg stand vor der Thür; der Vorwand dazu war bald
gefunden. Die Spanier hatten ihre Königin vertrieben und boten die
Krone ihres Landes dem Prinzen Leopold von Hohenzollern, einem
weitläufigen Verwandten des Königs Wilhelm, an. Das erregte die
Eifersucht der Franzosen; ihr Kaiser, Napoleon III., ließ durch
seinen Minister erklären, Frankreich dürfe es nicht dulden, daß ein
Hohenzoller den spanischen Thron besteige. Um Deutschland nicht in
einen Krieg zu verwickeln, verzichtete der Prinz auf die spanische
Krone. Aber das war den Franzosen nicht genug: der französische
Gesandte Benedetti wurde beauftragt, vom König Wilhelm die be-
stimmte Versicherung zu verlangen, daß er nie seine Einwilligung dazu
geben werde, wenn abermals ein hohenzollernscher Prinz zum König
von Spanien gewählt werden sollte. Der König, der sich damals ge-
rade in Ems aufhielt, wies den Gesandten mit seiner beleidigenden
Forderung ab. Da sandte Franfreich die Kriegserklärung, welche am
19. Juli dem Reichstage des Norddeutschen Bundes vorgelegt wurde.
2. Ein Sturm der Begeisterung ging durchs ganze deutsche Land.
Wieder leerten sich wie 1813 Schulbänke und Lehrstühle; verlassen standen
Pflugschar und Kaufladen; vom Herrensitz und aus niederer Hütte eilte
alles zu den Fahnen, um in demselben Heere für dasselbe Ziel zu kämpfen.
Ein allgemeiner Bettag sammelte Volk und Heer in den Gottes-
häusern, um die Hilfe des Höchsten zu erflehen. Mit Gottvertrauen
und Kampfesmut scharten sich die Krieger um ihre Fahnen. Die
feurigen Dampfrosse führten Taufende gen Westen. Aus den Wagen
erscholl es: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und treu die
Wacht am Rhein". Auf allen Bahnhöfen wurden die Krieger mit
lautem Zuruf empfangen, Männer und Frauen eilten herbei und boten
ihnen Erfrischungen dar. In etwa vierzehn Tagen ftand fast eine
halbe Million Krieger schlagfertig dem Feinde gegenüber, während noch
ebensoviele zum Ersatze bereit waren.
3. Das Heer bestand wieder aus drei Armeen. Am weitesten
nach Norden zu, im südlichen Teile der Rheinprovinz, stand die erste
Armee unter dem General von Steinmetz; das Centrum wurde von
der zweiten Armee unter Führung des Prinzen Friedrich Karl ge-
bildet, und die dritte Armee, aus Bayern, Württembergern, Badensern
und Preußen zusammengesetzt, führte der Kronprinz von Preußen.
Am 31. Juli ging König Wilhelm zur Armee ab, um selbst den Ober-
befehl zu übernehmen.