118 IX. Die Zeit des Ringens nach Einheit und Freiheit.
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Nach seinem Kriegsplane strebten die einzelnen Armeen und Heeres-
abteilungen auf den verschiedensten Wegen demselben Ziele zu, um dann
mit vereinten Kräften den Feind zu schagen. Als im Jahre 1870
der Krieg gegen Frankreich begann, hatten Moltke und Roon alles
so sicher und genau vorbereitet, daß kaum zwei Wochen nach der
französischen Kriegserklärung drei große, deutsche Heere schlagfertig am
Rheine standen. Im Gefolge des Königs zog Moltke in den Krieg
und leitete vom großen Hauptauartiere aus die Bewegungen der Armeen.
Seine Pläne waren so sorgfältig überlegt, daß der Erfolg nach mensch-
licher Berechnung nicht ausbleiben konnte. Nach dem Kriege ernannte
Kaiser Wilhelm den weisen Schlachtenlenker zum Generalfeldmarschall,
schmückte ihn mit den höchsten Orden und ließ keine Gelegenheit
vorübergehen, ihn mit Beweisen seiner Gnade zu erfreuen. Wo er
sich sehen ließ, kubelte ihm das Volk entgegen; sein Bild schmückt
Palast und Hütte. Dennoch verlor der große Mann seine Einfachheit
und Bescheidenheit nicht. Alle Lobeserhebungen wies er mit den
Worten zurück: „Ich habe meine Pflicht gethan, weiter nichts!“
Erst im hohen Alter trat Moltke in den Ruheftand. Am 24. April.
1891 starb er und liegt auf seinem Gute zu Kreisau in Schlesien be-
zerten- Sein Name soll uns sein Losungswort stets ins Gedächtnis
rufen:
„Alle Zeil treu bereit für des Reiches Herrlichkeit!“
4. Roon wurde am 30. April 1803 zu Pleushagen bei Kolberg
geboren. Er hat wie Moltke sein ganzes Leben dem Soldatenstande
gewidmet und ist auch wie dieser zu den höchsten militärischen Ehren-
stellen emporgestiegen. Roon war fortgesetzt thätig, der deutschen
Armce die Stärke und Tüchtigkeit verschaffen zu helfen, der sie bedurfte,
um dem Feinde mit der größten Schnelligkeit und siegreich widerstehen
zu können. Als Wilhelm I. im Jahre 1858 Prinzregent wurde.
überreichte ihm Rovon eine Denkschrift, in der er die Schäden der da-
maligen Wehrverfassung dargelegt und Verbesserungsvorschläge ge-
macht hatte. Darqaufhin wurde er Mitglied einer Kommission, die
berufen war, eine neue Heeresverfassung auszuarbeiten. In demselben
Jahre wurde er auch Kriegsminister. Als solcher hat er, vereint mit
Moltke und Bismarck, an den Kämpfen der Staatsmänner und Volks-
vertreter in den gesetzgebenden Körperschaften und an den Kämpfen
der Armee auf den Kriegsschauplätzen teilgenommen und zum Siege
der preußischen und deutschen Waffen das Seinige redlich beigetragen.
Als Staatsmann ist er wegen seiner Tüchtigkeit bis zu dem höchsten
Amte, das in Preußen erlangt werden kann, gestiegen; des Königs
und Kaisers Lob und Anerkennung find auch ihm reichlich zuteil ge-
worden. Zwei Jahre nach dem großen Kriege ging er in den wohl-
verdienten Ruhestand und ist 1879 gestorben.