Full text: Deutsche Geschichte für Schule und Haus nach den Forderungen der Gegenwart für das Königreich Bayern.

1. Die Zeit des Heideutums. 3 
  
  
waren mit Holz ausgeflochten und dann mit Lehm überkleidet. Der 
Giebel war hellfarbig und bunt getüncht; er bildete den einzigen Schmuck 
des Hauses. Schilf oder Stroh deckten es, und im Winter verdichtete 
eine Lage Dünger dieses Dach. Fenster und Schornsteine waren noch 
nicht vorhanden; kleine Windlöcher, die mit Läden versehen oder mit 
Tüchern verhängt wurden, dienten als solche. Neben dem ohulee 
lagen gewöhnlich Vorratsspeicher, Viehställe und ein Keller zur An 
nahme der Winterfrüchte. Ein Backofen und ein Verschlag zum Brauen 
des Bieres durfte neben dem Hause nicht fehlen. Den ganzen Hof- 
raum umgab ein Holzzaun, Gatter genannt, oder ein Wall mit einem 
Thore. Bei dem Hause waren Grasplatz und Garten vorhanden. Im 
Garten wuchsen Kohl, Rettig und Rüben, wilde Apfel und Birnen 
und weiße Herzkirschen. 
2. In der Mitte des Hauses war ein großer Raum, die Diele; 
sie diente als Versammlungsraum bei Festen und Beratungen. An 
den Seiten derselben waren für die Frauen besondere Gelasse ein- 
gerichtet. Im Hintergrund der Diele war der Herd; er nahm eine 
wichtige Stellung ein. In seiner Nähe befanden sich der Herrensitz 
und die Ehrensitze für vornehme Gäste. Dorthin wurde der Fremde 
zuerst geführt und ihm über dem Herdkessel Friede gelobt; dort wurde 
aber auch Unfriede dem Ubelthäter verkündigt. 
3. Die altdeutsche Hofgenossenschaft. 
1. Die Hochzeit war unserer Väter schönstes Fest. Waren die 
Gäste alle auf der Diele versammelt, so schlossen Zeugen und Ver- 
wandte um das Brautpaar einen Kreis. Der Alteste fragte dann Braut 
und Bräutigam, ob sie fortan als Mann und Weib miteinander leben 
wollten. War die Frage bejaht, so kamen die schon verheirateten Frauen 
und brachten das herabwallende Haar der Braut unter eine Haube. 
Ein Jüngling, der bislang mit einem bloßen Schwerte neben der Braut 
gestanden hatte, gab dieses dem Bräutigam, damit er hinfort ihr Schutz- 
und Schirmherr sei. Hierauf steckte der Bräutigam seiner Braut einen 
Ring an die linke Hand und zog ihr Schuhe an die Füße. Nun 
folgten Hochzeitsschmaus und fröhliche Spiele. Den Männern gefiel 
das Würfelspiel am besten; sie spielten mit solcher Begierde um Gewinn 
und Verlust, daß, wenn Haus und Hof verloren waren, der Mann auf 
den letzten Wurf wohl gar seine Freiheit setzte. Wer verlor, ging 
freiwillig in die Knechtschaft und folgte geduldig seinem Herrn. Die 
Jünglinge tanzten zwischen bloßen Schwertern und Lanzenspitzen und 
sprangen über fünf bis sechs nebeneinander gestellte Rofsse hinweg. 
Die Jungfrauen sangen, und Sänger spielten dazu auf der Harfe. 
Die Kinder ahmten auf dem Hofe und vorn auf der Diele die Spiele 
der Erwachsenen nach. War die Hochzeit vorüber, so wurde alles, was 
Eltern, Verwandte und Geschwister zur Aussteuer gegeben hatten, auf 
einen Wagen gepackt, die Braut oben darauf gesetzt und zur Behausung 
des Bräutigams gebracht. · 
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