4 1. Die Zeit des Heidentums.
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2. Das neugeborene Kind wurde dem Vater auf den Schoß ge-
legt, damit er es als das seine anerkenne; dann wurde es in frische.
Wasser getancht und ihm ein Name gegeben, und zwar einer von
denen, die wir jetzt als Vornamen bezeichnen; denn Familiennamen
hatte man damals noch nicht. Die Namen waren sinnvoll und wurden
nicht ohne Vorbedacht gewählt. So wurde z. B. ein Knabe Eberhard
oder Bernhard getauft, weil man wünschte, daß er einst hart, das
soll heißen kühn, wie ein Eber oder Bär kämpfen möge, und ein
Mägdlein nannte man Gertrud, in der Hoffnung, sie möge einst dem
Jünglinge oder Manne den Ger zum Kampfe reichen. Die Erziehung
der kleinen Kinder war Sache der Mutter. Sie erzählte ihnen von
den Göttern und Helden, sang ihnen uralte Lieder vor und hielt sie
zu sittsamem Wesen an. Die erwachsene Tochter nahm unter der Mutter
Leitung teil an den Geschäften der Haushaltung, während der Sohn
vom Vater im Rennen und Jagen, Schwimmen und Schlagen, sowie
in den Rechten und Pflichten seines Standes unterwiesen wurde.
3. Die Frau hatte unfreie Mägde zur Seite, die ihr bei der
Hausarbeit helfen mußten. Eine derselben mußte die Handmühle drehen;
eine andere mußte das Brot backen, eine dritte das Butterfaß ziehen,
andere beim Bier= und Metbereiten helfen. Wieder andere hatten mit
der Spindel zu spinnen, am Webstuhle zu weben, oder Kleider zu fer-
tigen. Speise und Trank waren einfach; sie bestanden aus den Er-
zeugnissen des Ackerbaus und der Viehwirtschaft. Brot bereitete man
aus Hafer= und Gerstenmehl. Wildbret und Fische lieferten Wald und
Fluß. Diese, sowie Schweine= und Pferdefleisch, Eier, Milch, Butter
und Käse waren tägliche Nahrungomittel. Das hauptsächlichste Gewürz
war das Salz; es wurde gewonnen, indem man die Sole über glühende
Eichenholzkohle goß. Die beliebtesten Getränke waren der süße Met
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und das aus Hopfen und Gerste hergestellte, herb schmeckende Bier.
4. Feldmark und Markgenossenschaft.
1. Die Häufer lagen in alter Zeit entweder einzeln oder dorfartig
zusammen. Einzelhöfe hatten ihren ganzen Grund und Boden um das
Haus liegen. Lagen die Höfe aber dorfartig zusammen, so bildeten die
Bewohner eine Markgenossenschaft, uud der Grundbesitz des Einzelnen
lag durch die ganze Feldmark zerstreut. Jede Markgenossenschaft
hatte ihr Feldland nach der Güte des Bodens und der Anzahl der
Genossen in Gewannen und Streifen geteilt, und jeder Genosse hatte
in jeder Gewanne einen Streifen als Eigentum. Ein Stein zeigte an,
wo dieses aufhörte; er hieß Gewannstein. In jeder Gewanne wurde
die gleiche Frucht gebaut, war also Flurzwang vorhanden, und der
Anteil jedes Hofes daran war so groß, daß er in einem Tage oder
Morgen bestellt werden konnte. Daher stammen die noch jetzt gebräuch=
lichen Bezeichnungen „Tagewerk“ und „Morgen" für eine Ackerfläche.
Der Grundbesitz des Einzelnen hieß Allod. Alles Land, das zu einem Hofe