III. Die Zeit der Lehensherrschaft. 33
geübten Brauch der Erbfolge verlassen und Heinrich zum Könige
gewählt. Von da ab wurde Deutschland als Wahlreich betrachtet
und der König stets durch die Wahl der Reichsfürsten auf den Thron
erhoben. · » ,
2. Als Heinrich im fechsten Jahre regierte, erschienen die Ungarn
wieder in Thüringen und Sachsen. Brennende Dörfer, geplünderte
Kirchen und ausgeraubte Klöster bezeichneten ihren Weg. Wieder
flüchteten sich die aufgeschreckten Bewohner in das Dickicht der Wälder,
auf die Spitzen der Berge und in verborgene Höhlen. Sorgfältig
vermied König Heinrich jede Schlacht und schloß sich mit seinen Ge-
treuen in die feste Burg Werla, unweit Goslar, ein: denn die
Ungarn konnten nur im Reiterkampfe erfolgreich angegriffen werden.
Do geschah es, daß ein vornehmer Ungar in Heinrichs Gefangenschaft
geriet. Um ihn auszulösen, boten die Ungarn viel Gold und Silber;
doch Heinrich wollte den Gefangenen nur freigeben, wenn sie sich ver-
pflichteten, neun Jahre lang Thüringen und Sachsen zu meiden. Als
der König dann noch versprach, alljährlich einen Tribut zu zahlen,
willigten die Ungarn ein und verließen das deutsche Land.
3. Zum Schutze gegen die Ungarn erveiterte und befestigte
Heinrich in den neun Jahren des Waffenstillstandes viele Städte des
Sachsenlandes durch Mauerwerk. So entstanden die Städte Quedlin-
burg, Merseburg, Meißen und vielleicht auch Erfurt. Diese Städte
sollten bei einem Ungareinfalle Burgen, d. h. Zufluchtsörter, befestigte
Anlagen für die Umwohner sein, und die Bewohner wurden deshalb
Bürger genannt: Städte im heutigen Sinne des Wortes sind sie
erst allmählich geworden. Da die Leute sich weigerten, in die Stadt
zu ziehen, so wurde je der neunte Mann durchs Los bestimmt, sich in
der Stadt anzubauen und für die übrigen acht Wohnung bereit zu
halten, wenn der Gegend Gefahr drohte. Dafür mußten die Land-
bewohner den Städtern das Land bestellen und den dritten Teil der
Ernte hinter der Stadtmauer aufspeichern. — Zugleich bildete Heinrich.
ein Reiterheer und erprobte es in einem Kriege gegen die Wenden.
4. Als die Ungarn zum neuntenmale kamen, den fälligen Tribut
zu fordern, mußten sie mit leerem Säckel abziehen. Bald erschienen
sie in zahllosen Haufen und durchschwärmten das Thüringerland und
die angrenzenden sächsischen Gebiete. Aber König Heinrich war bereit.
Heerbann und Reiterheer waren aufgeboten und erwarteten den gün-
stigsten Zeitpunkt zum Angriffe. Heinrich lagerte an der Unstrut. Als
er des Feindes Nähe erfuhr, stellte er sein Herr in Schlachtordnung auf
und ermahnte es, mit Gottvertrauen tapfer auf den Feind zu gehen. Da
schwoll jedem das Herz; mit Lust sahen sie, wie der König bald vorn,
bald in der Mitte, bald in den letzten Reihen sein Roß tummelte,
und wie das Hauptbanner des Reichs, die Fahne des Erzengels
Michael, den die Ungarn für den deutschen Siegesgott hielten, überall
vor ihm wehte. Zuerst schickte Heinrich tausend Mann thüringisches
Fußvolk mit nur wenigen Reitern vor, um die Ungarn heranzulocken;
sobald diese aber die gewappneten deutschen Reiterscharen sahen,
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