46 IV. Die Zeit des Verfalls der Kaifermacht.
3. Bei besondern Anlässen, die das Familien= und Gemeindeleben
bot, ginges hochher. Kindtaufen, Verlöbnisse, Hochzeiten, selbst Begräbnisse
arteten zu Zeiten zu großen Gelagen aus, bei denen der eine den
andern in der Darreichung von Speisen und Getränken überbot. Es
wurde daher nötig, daß der Rat gegen die Schwelgereien der Bürger
mit strengen Gesetzen vorging und genau festsetzte, wieviel Schüsseln
und Gerichte, was an Wein und Geschenken gegeben werden durfte,
und wieviel Spielleute die Feier durch Gesang und Spiel erhöhen
durften. Auf Anger und Wiese ergötzte sich das Volk zur Zeit des
Frühlings, die Gilden vereinigten sich bei besondern Gelegenheiten zu
Trunk und Schmaus, und alljährlich wiederkehrende Schützenfeste er-
höhten die Wehrhaftigkeit der Bürgerschaft.
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45. Die Simonie.
1. Die Bistümer, Klöster und Kirchen waren durch Schenkungen,
Vermächtnisse, Kauf, Pfändung und Belehnung nach und nach zu
großem Reichtume gekommen. Bischöfe und Abte wurden deshalb
zu den Großen des Reiches gerechnet und hatten Gewalt und Macht
gleich den Fürsten. Die jüngern Söhne der Adeligen und Fürsten
nahmen daher gern den Bischofsstuhl oder die Abtswürde in Be-
sitz. Sie Pflegten aber nach gewohnter Weise weltlich zu leben,
zogen in ritterlicher Rüstung in den Kampf oder zur Jagd und
wohnten in eigenen, prachtvollen Häufern, die oft ganz entfernt vom
Kloster oder der Bischofskirche lagen. Ihre geistlichen Pflichten ließen
sie durch Stellvertreter oder Vikare ausüben. Mit der Zeit wurde es
sogar üblich, die geistlichen Amter für Geld zu erwerben, und Fürsten
und Herren scheuten sich nicht, solche Stellen für ihre Kinder zu kaufen,
gleichviel, ob diese sich dazu eigneten oder nicht.
2. Das kirchliche Leben hat durch die Simonie großen Schaden
erlitten; denn die Männer, die nur um irdischen Vorteils willen ein
geistliches Amt übernommen hatten, gaben durch unziemliches und
schandhaftes Leben den Gläubigen Argernis und den Ungläubigen
Anlaß, verächtlich über die Kirche und ihre Einrichtungen zu denken.
Das verderbliche Beispiel wirkte fort. Auch in die Klöster drang das
weltliche Treiben. Söhne und Töchter von Bürgern und Bauern
gingen ins Kloster, um ein bequemes Leben zu haben. Die Kloster-
schüler wurden oft zwanzig Jahre alt und konnten weder lesen noch
schreiben. Die Hauptsache war das Singen und Lateinlernen, damit.
l Schüler auf der Straße den Brotreigen singen und in der Kirche
das Hochamt mitfeiern konnten. Die Priester, welche aus den Klöstern
unter die Leute gingen, waren meist ungelehrt und vermochten nicht,
die Gemeinden in christlicher Lehre zu unterweisen und zu einem
gottgefälligen Leben anzuhalten. So kam es, daß bereits fünfhundert
Jahre nach der Einführung des Christentums Unwissenheit und Aber-