Full text: Deutsche Geschichte für Schule und Haus nach den Forderungen der Gegenwart für das Königreich Bayern.

58 » . V. Die Zeit der Reformation. 
. — 
  
Hälfte der Beisitzer im Reichskammergerichte Männer seien, welche die 
Rechtswifsenschaft studiert hätten. Bald waren aber alle Beisitzer 
Rechtsgelehrte, und zwar nicht nur am Reichskammergerichte, sondern 
auch an den übrigen Gerichten des Reichs. Damit verlor das Volk 
seinen Anteil an der Rechtsfindung. Die gelehrten Richter und 
Schöffen kannten nicht den Brauch der Alten oder verachteten ihn: 
sie setzten fremdes Recht, das sie aus den Gesetzbüchern der alten 
Römer schöpften, an dessen Stelle. Dadurch verlor der gewöhnliche 
Mann seine Rechtskenntnis, und wer einen Prozeß zu führen hatte, 
mußte einen gelehrten Advokaten zum Rechtsanwalte nehmen und 
ihm hohe Gebühren zahlen. Advokaten und Richter lebten von den 
Erträgen der Prozesse und zogen die Verhandlungen oft jahrelang 
hin. — Dennoch hat das Eindringen des römischen Rechts auch sein 
Gutes gehabt. Es wurde Brauch, alle Gesetze aufzuschreiben, vor 
Gericht alles schriftlich zu machen und jedem Dinge einen besondern 
Namen zu geben. Viele Höfe, kleine Dörfer, Fluren und Wege 
tragen seitdem erst ihre bestimmten Namen; ja die Familiennamen der 
Bürger und Bauern sind vielfach erst in jener Zeit entstanden, oder 
doch amtlich feftgelegt worden. Dabei wurden die bisher schon ge- 
bräuchlichen Beinamen in erster Linie berücksichtigt. Außerdem ent- 
wickelte sich ein geschulter Richterstand, sowie eine einheitliche Rechts- 
grundlage, die infolge der großen Zersplitterung des deutschen Reiches 
ein großes Bedürfnis war. 
3. Mit dem fremden Rechte hatte sich der Grundsatz eingeschlichen, 
jeder Angeklagte sei ein Bösewicht, dem man durch verfängliche Fragen 
oder Folterqualen die Wahrheit entlocken oder abzwingen müsse. Daher 
wurde in jener Zeit die Tortur oder Folter bei uns eingeführt. Durch 
Abschnüren und gewaltsames Ausrecken der Glieder wurden dem An- 
geklagten gräßliche Schmerzen bereitet, so daß er bekannte, was nur von 
ihm verlangt wurde. Mit Stricken wurden Hände, Füße und Beine ab- 
gebunden, Finger= und Zehennägel mit eisernen Schrauben zerquetscht. 
War der Angeklagte noch nicht geständig, so erhöhte man die Schmerzen 
durch Brennen und Zwicken mit glühenden Zangen, oder man schlug. 
ihm Holzpflöcke unter die Fingernägel, setzte ihm stechende Insekten. 
oder hungrige Mäuse an den bloßen Leib und wandte andere grau- 
same Martern an. Tausende haben damals unter den entsetiichsten 
Schmerzen auf der Volter ihr Leben gelassen. 
—# 
58. Der gemeine Pfennig. 
Das Reichskammergericht und andere Einrichtungen des Kaisers 
Maximilian kosteten Geld. Je größern Umfang der Verkehr an- 
nahm, desto weniger wollte die alte Naturalwirtschaft allein genügen. 
Landsknechte und Beamte wünschten für ihre Dienste einen Lohn, den 
sie leicht bewegen und überall verwerten könnten. Kaiser Maximilian
	        
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