Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

44 B. Erläuterungen z. Reichs- u. Staatsangehörigkeitsgesetz. 
Auch die Vorschrift des § 4 Abs. 2 über die Staatsangehörigkeit 
von Findelkindern enthält keinen selbständigen Erwerbsgrund, sondern 
nur die gesetzlich angeordnete Vermutung für den Erwerbsgrund der 
Abstammung. 
Durch die Annahme an Kindes Statt (68 1741—1772 BGB. er- 
langt das angenommene Kind nicht die Staatsangehörigkeit der An- 
nehmenden; denn nach deutschem Recht ist die Annahme an Kindes Statt 
ein bürgerlich rechtlicher Vertrag, der auch durch Vereinbarung wieder 
gelöst werden kann (val. bezüglich des früheren Rechts § 2 Abs. 2 des 
B. u. St Ges. oben S. 1). Nur in wenigen Fällen stellt das Gesetz (§ 9 
Abs. 2 Ziff. 1, § 13) die an Kindes Statt Angenommenen den natür- 
lichen Abkömmlingen gleich. 
3. Der Ausdruck „durch Geburt“ ist ungenau; aus § 4 ergibt sich, 
daß die Staatsangehörigkeit „bei der Geburt durch die Abstammung"“ 
erworben wird. 
Ius sSanguinis — jus soli. 
Die Frage, ob die Geburt in einem deutschen Staatsgebiete den 
Anspruch auf die Zugehörigkeit zum Geburtsstaate oder wenigstens die 
Vermutung für den Besitz der dortigen Staatsangehörigkeit begründen 
sollte, ist im Reichstag eingehend besprochen worden. Das R. u. St es. 
geht von dem Grundsatze aus, daß die Staatsangehörigkeit außer durch 
besondere Verleihung von Rechts wegen nur durch die Abstammung von 
einem Deutschen und durch die Verehelichung mit einem Deutschen er- 
worben werden kann. Es vertritt den Grundsatz des ius sanguinis im 
Gegensatze zum ius soli, d. h. der Regel, daß der Mensch Zugehöriger 
des Staates sein soll, in dessen Gebiet er geboren ist. 
Eine Reihe von Anträgen (Komm. Antr. Nr. 45 Ziff. 6, Nr. 47, Nr. 56, 
dann Antr. Nr. 1010 Ziff. 10 und Nr. 1013) zielten darauf ab, daß Aus- 
länder oder doch Staatlose, die in einem Bundesstaate geboren sind 
und bis zur Volljährigkeit gelebt haben, Angehörige dieses Bundesstaats 
sein oder bis zum Beweise des Gegenteils als solche gelten sollten, min- 
destens aber innerhalb bestimmter Frist einen Rechtsanspruch auf Ein- 
bürgerung erheben könnten. Zur Begründung der Anträge wurde darauf 
hingewiesen, 
a) daß bis in das 19. Jahrhundert hinein in den deutschen Staaten 
der in den ältesten fränkischen Rechtsquellen ausgesprochene Grundsatz 
galt: Das Untertanenrecht wird durch die Geburt innerhalb eines Staats- 
gebiets begründet,
	        
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