Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

78 B. Erläuterungen z. Reichs- u. Staatsangehörigkeitsgesetz. 
auf Aufnahme zuzulassen oder abzulehnen sei. Sie habe unter allen 
Umständen verhindern können, daß eine ihr nicht erwünschte Persönlich— 
keit in ihren Staatsverband aufgenommen werde. Durch das Gesetz 
von 1870 sei dies anders geworden. Denn jetzt könne jeder Bundesstaat 
einem Ausländer durch die Aufnahme einen Rechtsanspruch auf Auf— 
nahme in jedem anderen Bundesstaate verschaffen. Es sei denkbar, 
daß ein Ausländer, dem ein Bundesstaat die Aufnahme verweigert 
habe, in einem anderen Bundesstaat aufsgenommen werde, dann in jenen 
ersten Staat zurückkehre und dort nunmehr die Aufnahme auf seinen 
Antrag erhalten müsse. Einen stärkeren Eingriff in die Souveränität 
des Bundesstaats, der zuerst die Aufnahme verweigert habe und sie nach- 
träglich doch habe bewilligen müssen, könne man sich auf diesem Gebiete 
kaum vorstellen. Um dem abzuhelfen, hätten die verbündeten Regierungen 
den mehrerwähnten Bundesratsbeschluß vom 22. Januar 1891 gefaßt. 
(Nach diesem Beschlusse sollte über Naturalisationsgesuche von früheren 
Reichsangehörigen und von Reichsausländern, die sich in einem anderen 
Bundesstaat aufgehalten hatten und noch aufhielten, erst entschieden 
werden, nachdem sich die Behörden der Bundesstaaten geäußert hätten, 
die als ursprüngliche Heimatstaaten, als frühere oder gegenwärtige 
Aufenthaltsstaaten an der Entscheidung interessiert wären.) Dieser 
Beschluß decke aber lediglich die Fälle der Aufnahme von früheren 
Reichsangehörigen und solchen Reichsausländern, die sich in einem 
anderen Bundesstaat aufgehalten haben oder noch aufhalten. Er hindere 
also eine Umgehung nicht vollständig. 
Gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage wolle der Entwurf die 
Souveränität der Einzelstaaten insoweit wiederherstellen, als es nach 
den Grundsätzen der Reichsverfassung überhaupt möglich sei. Nach der 
Regierungsvorlage habe jeder Bundesstaat die Möglichkeit, Bedenken 
dagegen zu äußern, daß ihm auf die bezeichnete Art ein Ausländer 
aufgenötigt werden solle; würden diese Bedenken von dem um die Auf- 
nahme angegangenen Bundesstaate nicht geteilt, so finde ein Ausgleich 
der Meinungsverschiedenheiten durch die hierzu berufene Stelle, den 
Bundesrat, statt. 
Dabei handle es sich nicht etwa um theoretisch konstruierte Fälle. 
Tatsächlich seien solche Fälle trotz der Bestimmungen des mehrerwähnten 
Bundesratsbeschlusses leider nicht selten vorgekommen. Sie seien vor- 
gekommen aus Unkenntnis der früheren Vorgänge, indem z. B. ein Aus- 
länder, der nach Ablehnung seines Aufnahmegesuchs in einem Bundes- 
staat in seine Heimat zurückgekehrt sei und demnächst in einem anderen
	        
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