90 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. IV. Kapitel. 847.
Die Rechts- und Gehaltsverhältnisse der Richter sind durch das Beamtengesetz und
die Gehaltsordnung gesichert. Hierüber s. u.
3. Als reichsgesetzlich (88 13, 14 d. R.G.V.) zugelassene besondere Gerichte be-
stehen in Baden:
A. Die Rheinschifffahrtsgerichte. Als solche Gerichte erster Instanz sind
diejenigen (16) Amtsgerichte bestimmt, deren Bezirke an den Rhein abwärts von Basel
grenzen.
Sie sind zuständig:
I. in Strafsachen zur Untersuchung und Bestrafung aller Zuwiderhandlungen gegen
die Rheinschifffahrts= und strompolizeilichen Vorschriften;
II. in Civilsachen zur Entscheidung über Klagen wegen gewisser, aus der Rhein-
schifffahrt sich ergebenden Gebühren und Entschädigungen.
Als Obergericht für Berufungen ist für Baden das Landgericht Mannheim bestimmt.
Statt an dieses kann auch unter gewissen Voraussetzungen die Berufung an die Central-
Kommission für die Rheinschifffahrt, welche aus je einem Bevollmächtigten der Uferregie-
rungen besteht und ihren Sitz in Mannheim hat, eingelegt werden 7).
B. Die Gemeindegerichte. In jeder Gemeinde des Landes bildet der Bürgermeister
bezw. dessen gesetzlicher Stellvertreter das Gemeindegericht.
Seine Gerichtsbarkeit hat im Wesentlichen den vollen nach § 14 Ziff. 3 der Ger. V.
zulässigen Umfang. Hiernach sind die Gemeindegerichte berufen zur Entscheidung über ver-
mögensrechtliche Ansprüche, deren Geld oder Geldeswerth die Summe von 60 M. nicht
übersteigt, zwischen Parteien, welche in der gleichen Gemeinde den Wohnsitz, eine Nieder-
laffung oder im Sinne der §§ 18 und 21 der C. Pr. O den Aufenthalt haben, und unter
den eben angegebenen Voraussetzungen auch für das Mahnverfahren, zur Anordnung des
dinglichen Arrestes und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen ?.
Ueber das Verfahren bei diesen Gerichten gibt das badische Gesetz nur einige
wenige Vorschriften; im Uebrigen waltet der Gemeinderichter nach freiem Ermessen.
Vollzugsbestimmungen und nähere Anleitung enthält eine vom Justizministerium erlassene
Dienstweisung 3). Gegen die Entscheidung der Gemeindegerichte steht den Parteien binnen
einer Nothfrist von zwei Wochen die Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg zu.
Die unmittelbare Aufsicht über die Gemeindegerichte wird von den Amtsgerichten geübt.
Außerdem ist nach Landesgesetz vom 16. April 1886) in jeder Gemeinde deren
Bürgermeister oder sein gesetzlicher Stellvertreter als Vergleichsbehörde (Schiedsmann)
in streitigen Rechtsangelegenheiten bestellt.
Das Amt des Schiedsmanns umfaßt die Vornahme von Sühneverhandlungen über
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und über Beleidigungen und Körperverletzungen nach den
näheren Bestimmungen des Gesetzes. Die unmittelbare Dienstaussicht über die Thätigkeit
dieser Schiedsmänner steht den Amtsgerichten zu.
C. Gewerbegerichte, nach Maßgabe des Reichsgesetzes hierüber vom 29. Juli
18906) für die Entscheidung von gewerblichen Streitigkeiten zwischen Arbeitern einerseits
und ihren Arbeitgebern anderseits, sowie zwischen Arbeitern desselben Arbeitgebers. Zu
1) Art. 38—40 der revid. Rheinschifffahrtsakte v. 17. Okt. 1868, G. u. V. Bl. 1868, Nr. XIV,
S. 183; ldh. Verord. v. 24. Juni 1879, G. u. V. Bl. Nr. XXVIII, S. 313.
2) Angef. Einf. Ges. §§ 115—123; Ges. v. 16. April 1886, G. u. V.Vl. Nr. XVI, S. 141.
3) V. 10. Mai 1886, G. u. V. Bl. Nr. XXVII, S. 232.
4) G. u. V. Bl. Nr. XVII, S. 145. S. hierzu Dienstweisung v. 10. Mai 1886, G.u.V. Bl. Nr.
XXVII, S. 274. * · ,
5)R.G.B.Nr.24,S.141.Dazuldh.Berord.v.8.Okt.1890,G.u.V.Bl.Nr.X.lJlIl,S.628.