8 60. Die Verwaltungsrechtspflege. 109
2. bei Klagen, welche von öffentlich-rechtlichen Verbänden gegen ihre Angehörigen
als solche oder von diesen gegen einander erhoben werden, das Verwaltungsgericht, in
dessen Bezirk der Verband seinen Sitz hat;
. in allen anderen Fällen das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Beklagte
wohnt, oder die den Beklagten vertretende Behörde ihren Sitz hat.
In Ermangelung eines nach diesen Vorschriften zuständigen Verwaltungsgerichts,
sowie unter den Voraussetzungen des § 96 d. C. Pr.O. erfolgt die Bestimmung des zu-
ständigen Gerichts durch den Verwaltungsgerichtshof.
Vereinbarungen der Parteien über die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte haben
keine rechtliche Wirkung“!).
4. Parteien im Verwaltungsrechtstreit. In den zur Gerichtsbarkeit der Be-
zirksräthe gehörigen Streitigkeiten bestehen die Betheiligten als Parteien — Kläger und
Beklagter — einander gerade so gegenüber, wie im Civilprozeß. Der Klagantrag geht
stets auf eine bestimmte Entscheidung in der Sache selbst. Das Nämliche gilt bei dem
Berufungsverfahren in diesen Sachen.
Anders in denjenigen Fällen, in welchen der Verwaltungsgerichtshof in erster und
letzter Instanz urtheilt „auf Klagen gegen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden“.
Hier ist die Klage überhaupt nur zulässig, nachdem über ihren Gegenstand eine „Ent-
scheidung“ (richtig „Entschließung“) der Verwaltungsbehörde ergangen ist. Welche Be-
hörde zu dieser Entschließung in den einzelnen Fällen zuständig ist, ist durch ldh. Ver-
ordnung 5) genau bestimmt.
Alles Vorverfahren bis zur Erlassung dieser Entschließung ist nur Verwaltungs-
verfahren. Kläger im Verwaltungsstreitverfahren ist immer derzenige, welcher sich durch
diese Verwaltungsentschließung in seinem Rechte verletzt glaubt. Die Verwaltung, in der
Regel die Staatsverwaltung, erscheint als Beklagte und zwar auch in solchen Fällen, in
welchen ein Dritter (z. B. bei Wahlrechten und Wahlen, Verlegung von Grundstücken,
Krankenversicherungssachen 2c. der betr. Verband), dem die Verwaltungsbehörde Recht ge-
geben hat, wesentlich betheiligt ist. Sie wird in diesem Verfahren durch den Ministerial-
bevollmächtigten (s. u.) vertreten). Diese Uebernahme der Beklagtenrolle hat übrigens in
den Fällen, in welchen der Staat nicht wirklich (wie in Steuersachen, bei den Beiträgen
zum Schulaufwand und u. ä.) sachlich betheiligt ist, wesentlich den Zweck, ein geordnetes
Streitverfahren und die Geltendmachung der Anschauung der Staatsverwaltung zu er-
Möglichen.
Sowohl im Verfahren vor den Bezirksräthen, als in dem vor dem Verwaltungs-
gerichtshof kann der Vorsitzende oder das Gericht auf Antrag oder von Amtswegen die
Beiladung Dritter, deren Interesse durch die zu erlassende Entscheidung berührt wird,
verfügen. Die Entscheidung ist in diesem Falle auch dem Beigeladenen gegenüber
giltig?).
Eine förmliche Staatsanwaltschaft bei den Verwaltungsgerichten besteht nicht.
Bei den Bezirksräthen ist es Aufgabe des vorsitzenden Bezirksbeamten, das öffentliche Inter-
esse, d. h. hier die richtige Auslegung und Anwendung des Gesetzes, zu wahren. Diese
seine Aufgabe kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß ihm gegen Endurtheile des Be-
zirksraths die Berufung aus Gründen des öffentlichen Interesses zusteht.
„Der Verwaltungsgerichtshof ist verpflichtet, vor seinen Entscheidungen einen Be-
1) V. R. Pfl. Ges. 8§ 9, 10.
2) V. 5. August 1884, s. S. 107, Note 1.
3) V. R. Pfl. Ges. § 41.
4) V. R.Pfl. Ges. § 21.