Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

8 50. Die Verwaltungsrechtspflege. 111 
der Verhandlung haben die Parteien ihre Anträge zu stellen und zu begründen. 
Dr Vorsitzende hat dahin zu wirken, daß der Sachverhalt vollständig aufgeklärt und 
die sachdenlichen Anträge von den Parteien gestellt werden. 
Beweis durch Eid findet, sofern nicht besondere gesetzliche Bestimmungen dieses Be- 
weismittl zulassen, nicht statt. 
Beeibt bei der mündlichen Verhandlung eine Partei aus, so kann auf Antrag der 
erschieneren Gegenpartei, sofern nicht die Vertagung zu beschließen ist, gleichwohl die Ver- 
handlung mit Einschluß der Beweisaufnahme und die Entscheidung der Sache erfolgen. 
Gsscheinen beide Parteien nicht, so wird ihnen eröffnet, daß bis auf weiteren An- 
trag dat Verfahren beruhe. Ist jedoch die Entscheidung nach Lage der Akten ausdrücklich 
von einer Partei beantragt und die Sache zur Entscheidung reif, so hat der Bezirksrath 
auf Vortrag des Vorsitzenden in der Sache selbst zu erkennen. 
Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesammten Inhalts der Verhandlungen 
und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Ueberzeugung zu entscheiden. 
Die Verkündigung des Urtheils geschieht durch Vorlesen 1) der Urtheilsformel und 
soll in der Regel in dem Termine erfolgen, in dem die mündliche Verhandlung geschlos- 
sen wird. 
Im Wesentlichen die nämlichen Grundsätze gelten auch für das Verfahren vor dem 
Verwaltungsgerichtshof. 
Er hat — sowohl im Falle der Berufung als in dem der Klage — auch beim 
Ausbleiben einer oder beider Parteien in der mündlichen Verhandlung — letzterenfalls 
auf Vortrag eines Berichterstatters — in der Sache selbst zu entscheiden, wenn von dem 
Berufungskläger bezw. dem Kläger Entscheidung lediglich auf Grund des bezirksräthlichen 
Urtheils bezw. der Akten der Verwaltungsbehörde beantragt und die Sache zur Entschei- 
dung reif ist. Wenn die Sache dagegen auf Grund dieses Thatbestandes nicht spruchreif 
befunden wird, so hat er die Parteien hiervon in Kenntniß zu setzen?). 
In den Fällen, in welchen der Verwaltungsgerichtshof in erster und letzter Instanz 
entscheidet, gilt noch folgendes Besondere: 
Die Klage muß binnen einer Nothfrist von einem Monat — in den Fällen des § 4 
Ziffer 1, 2, 4 und 5 von 14 Tagen — vom Tage der Eröffnung der anzufechtenden 
Entscheidung (oder Verfügung) der Verwaltungsbehörde an gerechnet, bei dieser oder bei 
dem Verwaltungsgerichtshof schriftlich eingereicht werden. Welche Behörde zu der Ent- 
scheidung (oder Verfügung) zuständig ist, gegen welche die Klage zu erheben ist, wird, so- 
weit Gesetze hierüber nicht bestimmen, durch Verordnung geregelt. 
Ist die Entscheidung (oder Verfügung) von einem Bezirksrathe erlassen, so kann 
auch der Vorsitzende des Bezirksrathes aus Gründen des öffentlichen Interesses die Klage 
erheben, welche im weiteren Verfahren durch den Ministerialbevollmächtigten vertreten wird. 
Ist die Klage an sich unstatthaft, oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist 
eingereicht, so ist sie durch den Verwaltungsgerichtshof von Amtswegen — in der Regel 
ohne mündliche Verhandlung — als unzulässig zu verwerfen. 
6. Urtheil, Rechtskraft, Rechtsmittel. Das Urtheil kann nur von denjeni- 
gen Richtern gefällt werden, welche der dem Urtheile zu Grunde liegenden Verhandlung 
beigewohnt haben. 
Es enthält, außer der Bezeichnung der Parteien und Richter, „eine gedrängte Dar- 
stellung des Sach= und Streitstandes unter Hervorhebung der gestellten Anträge (That- 
bestand), die Entscheidungsgründe und die von der Darstellung des Thatbestandes und der 
Entscheidungsgründe äußerlich zu sondernde Urtheilsformel.“ 
1) Das. 88 17—31. 2 Das. 8§ 32—39, 41.
	        
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