120 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. V. Kapitel. 866.
Beamten Voraussetzung für eine Anzahl besonderer Rechtsansprüche desselben; insbesondere
können nur die etatmäßigen Beamten die Eigenschaft der Unwiderruflichkeit und den An-
spruch auf Ruhe= und Versorgungsgehalt erwerben, und es sind nur für die etatmäßigen
Beamten die Gehalts= und Zulagebeträge und die Voraussetzungen des Vorrückens durch die
Gehaltsordnung geregelt.
§ 56. 3. Begründung des Beamtenverhältnisses. Begründet wird nach Inhalt des
vorigen Paragraphen das Beamtenverhältniß durch die mit Zustimmung des Betheiligten
Seitens des Landesherrn oder der von ihm für zuständig erklärten Staatsbehörde erfolgte
ausdrückliche Verleihung der Beamten-Eigenschaft, das Verhältniß der etatmäßigen Be-
amtenschaft insbesondere durch die Uebertragung und Annahme einer „etatmäßigen“ Stelle.
Das Recht zur Verleihung der Beamten-Eigenschaft ist ein ausschließliches Recht der
Krone, die Verleihung eine Regierungshandlung. Keiner im Staate bestehenden Körper-
schaft und keinem Einzelnen steht das Recht zu, Jemanden mit der Wirkung ein Amt zu
übertragen, daß der Staat ihn als „Beamten“ anzuerkennen hätte. Nur ein Vorschlags-
recht kann nach Umständen begründet sein!).
Allgemeine Bedingung der Begründung des Beamtenverhältnisses ist der Vollbesitz
der bürgerlichen Ehre. Wer durch richterliche Verurtheilung zu Zuchthaus dauernd zur
Bekleidung öffentlicher Aemter unfähig geworden ist, wem sonst durch richterliches Urtheil
die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden sind oder wenigstens die Fähigkeit zur Be-
kleidung öffentlicher Aemter?), dem kann während der Dauer dieser Ehrenbeschränkung die
Eigenschaft eines Beamten mit Rechtswirksamkeit nicht verliehen werden.
Weitere allgemeine Voraussetzung ist die, daß Jemand in das Beamtenverhältniß
überhaupt eintreten will. In der Regel wird die Zustimmung des Einzelnen zu diesem
Eintritt stillschweigend erklärt durch Erfüllung der durch Gesetz oder Verordnung vor-
geschriebenen Befähigungs-Vorbedingungen und widerspruchslose Entgegennahme der bezüg-
lichen Entschließung des Landesherrn oder der sonst zuständigen Behörde.
Ein Recht der Staatsbürger gegenüber der Staatsgewalt auf Aufnahme in das Be-
amtenverhältniß oder auf Uebertragung einer Amtsstelle besteht nicht. Es erwächst auch
nicht aus der Thatsache, daß Jemand diejenigen Vorbedingungen erfüllt hat, welche be-
fähigen, in einem gewissen Zweige der Staatsverwaltung verwendet zu werden. Es be-
stehen auch keine Vorrechte irgend eines Standes auf Uebertragung gewisser Aemter. Alle
Staatsbürger ohne Unterschied der Religion haben zu allen Civil- und Militärstellen und
Kirchenämtern ihrer Konfession gleiche Ansprüche 3). Dieser verfassungsmäßige Grundsatz
gilt nach Art. 3 der R.Verf. zu Gunsten aller Reichsangehörigen.
Eine gewisse Ausnahme von dem Grundsatze der Gleichberechtigung besteht nur
bezüglich einer Reihe von Diensten zu Gunsten der sog. Militäranwärter.
Eine Reihe von Dienststellen im Civil-, Subaltern= und Unterbeamtendienste ist
nämlich nach den von den verbündeten Regierungen aufgestellten Grundsätzen vorzugsweise
mit Militäranwärtern, d. h. derzeitigen oder früheren Militärpersonen, welche den Civil=
versorgungsschein besitzen, zu besetzen 0.
Mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung steht es nicht im Widerspruch, daß theils
durch Gesetz, theils durch Verordnung bestimmte Vorbedingungen der persönlichen Befähi-
1) Selbst die in den Städten der Städteordnung dem Stadtrathe nach § 104 d. Ges. üb. d.
Elem. Unterr. zustehende „Besetzung“ der Stellen von Hauptlehrern und Reallehrern ist rechtlich nur
ein Vorschlag. Die Bestallung wird von der Oberschulbehörde ausgefertigt.
¾v R. Str. G. B. §§ 31—36, 319, 358.
2923 V. U. 9. Vgl. R.G., betr. die Gleichberechtigung 2rc. 2c. v. 9. Juli 1869, B.G.Bl. Nr. XXVIII,
4) S. u. bei der Darstellung des Militärwesens.